KALIFORNIEN

Von San Francisco zum Cabo San Lucas

Logbuch  -  Reisenotizen

Zu unseren drängenden Reisewünschen gehörten schon seit vielen Jahren ein Spaziergang über die Golden Gate Bridge, Streifzüge durch die Kaktuswüsten der Baja California und eine Begegnung mit den Seelöwen und Walen im Golf von Kalifornien.


Im Februar 2004 führte uns eine 30-tägige Reise von Los Angeles nach San Francisco, über die verschneite Sierra Nevada in die Mojave Wüste und über San Diego nach Mexico bis zur Südspitze der Baja California.



Los Angeles bis San Francisco


1. Tag, Di. 17.02.2004

Flug mit Air France von Berlin TXL über Paris CDG nach Los Angeles. Keine Wolken über Grönland, die Verwehungen in der Schneewüste sehen aus großer Höhe  genauso aus, wie die Sicheldünen der Ergs in der Sahara. Die Hudson Bay und die großen Seen markieren die weitere Route.

Unkomplizierte Mietwagenübernahme am Internationalen Flughafen in Los Angeles. Gebucht hatten wir das kleinstmögliche Auto, wohl wissend, dass kein US-Amerikaner mit einem 2-türigen Winzling wochenlang durch sein weites Land reisen würde und dass deshalb ein Fahrzeug der Mini-Klasse am Airport in LA auch nicht vorhanden sein wird. Ist auch so. Nun ist die Autovermietung verpflichtet, ohne Aufpreis einen Wagen einer höheren Klasse anzubieten, aber wir sind müde und unkonzentriert und lassen uns ein eigentlich unnötiges Upgrade für 56 $ aufschwatzen. Dafür rollen wir jetzt in einem Dodge Neon bequem über breite Autobahnen nach Hollywood.

Übernachtung im vorgebuchten Motel 6 am Hollywood Boulevard.

2. Tag, Mi. 18.02.2004

Spaziergang auf dem Walk of Fame bis zum Vorplatz des Mann's Chinese Theater mit den Hand- und Fußabdrücken der Filmstars. Regenwetter, wenig Menschen auf der Straße, die Gegend macht einen schlechten Eindruck. Flache Gebäude mit Gerümpel auf den Dächern, Verputz und Farben an Fassaden blättern ab, blinde Fenster und geschlossene Ladengeschäfte. An der Vorfahrt des Kodak Theater werden für die Parade der Stars zur Oscar-Verleihung gerade Tribünen aufgebaut.

Wir fahren durch Beverly Hills, die Hauptstraßen, z.B. Whitley Boulevard, sind mit höheren Häusern bebaut, in den Nebenstraßen stehen nur Bungalows oder Villen. Reine Wohngebiete. Geschäfte, Banken und Büros befinden sich ausschließlich in den Hauptstraßen.

Bei der Automobil Association of America (AAA) verkauft eine nette Dame auch ohne ADAC-Mitgliedschaft zwei brauchbare Straßenkarten von US-Kalifornien und der Baja California für zusammen 11$, anschließend gegenüber bei Ralph's Lebensmittel eingekauft. Man muß sich eine Kundenkarte ausstellen lassen, Members of Ralph's Club bezahlen deutlich weniger, als zufällige Kundschaft.

Jetzt regnet es leider auf dem Wilshire Boulevard. Hier in Beverly Hills wohnt Geld. Richtig teure Autos rollen umher, an jeder Straßenkreuzung stehen wunderschön gestaltete, große Hotels und dazwischen befinden sich alle internationalen, namhaften Läden für Bekleidung, Parfüms und Accessoires, wie in Rom, Paris und London. Sieht sehr ansprechend aus. Das Regent Hotel an der Ecke Rodeon Drive hat eine besonders schöne Fassade.

Hinter Santa Monica liegt Thorn Hill und am Thorn Hill Broom Beach stehen überraschend viele Wohnmobile, eine Kolonie wahrer Dickschiffe. Daneben eine Walbeobachtungsstation, heute leider geschlossen. Es regnet immer noch, aber in der grauen Wolkendecke lassen sich schon Löcher entdecken.

Entfernungsangaben zu Zielorten sind sehr selten, nachdem wir jetzt 100 Meilen gefahren sind, begegnet uns in Ventura der erste Wegweiser nach San Francisco. Nach weiteren 100 Meilen habe ich in unserem schönen Dodge Neon (mit häßlichem Heckspoiler) alle Hebel und Schalter im Griff und kann jetzt sogar die schalterlose Innenraumleuchte bedienen. Regen und Sonne wechseln sich ab und ohne Klimaautomatik regeln wir ständig an der Aircondition herum. Wenn es regnet, denkt man, die Welt gehe unter, so viel Wasser stürzt vom Himmel.

In den Ortschaften und auch außerhalb existieren erstaunlich wenige Verkehrszeichen. Halteverbote,  Einbahnstraßen und Geschwindigkeitsbegrenzungen z.B. sind im Wortlaut ausgeschrieben: No Stop, Wrong Way, Speedlimit 55. Hier auf dem Freeway (Autobahn) ist mal ein symbolisierter Einfädelhinweis zu sehen, ob dieses Zeichen auch die Vorfahrt regelt, ist nicht herauszufinden.

Zur Landschaft: Unmittelbar an der Küste ist die Vegetation wie am Mittelmeer, sporadisch Gruppen hoher und schlanker Palmen. Die Hügel landeinwärts erinnern an Zentral-Portugal. Also lehmbraun-roter und steiniger Boden mit spärlicher Vegetation, ab und zu mal ein kniehoher Kräuterbusch und in weitem Abstand einzelne Bäume. Nördlich von San Luis Obisco nur noch kahle Hügel, ein einzelner Eukalyptus. Sofort duftet es im Auto wie in einem Beutel Eukalyptusbonbons.

Übernachtung in San Simeon im Motel 6.

3. Tag, Do. 19.02.2004

Wenige Kilometer nördlich des Hearst Castle stoßen wir überraschend auf eine große Kolonie See-Elefanten. Die Bullen, etwa 5 bis 6 Meter lang, beobachten ihren Harem von der Wasserlinie aus, unzählige Kühe liegen am Strand, meist mit einem Kalb, dazwischen erdrückte Jungtiere, auf denen Möwen und Geier um Leckerbissen streiten. Die Möwen können offenbar die dicke Haut nicht öffnen und sind auf die Geier angewiesen. Eine Informationstafel klärt auf: Die größte Kolonie der nördlichen Hemisphäre, mehr als 1000 Tiere. Gewicht der Bullen 2 bis 2,5 to. Die starke Vermehrung ist der Errichtung von Reservaten und reichhaltigem Nahrungsangebot zu verdanken. Bei der Nahrungssuche tauchen die Bullen bis auf 1500 m. Wir haben wohl Glück, nur wenige Wochen im Jahr sind die Tiere an der Küste, gebären, mausern und paaren sich. Der Februar ist hier der beste Monat für Beobachtungen, schon Anfang März soll man nur noch wenige Kühe mit schwachen Kälbern sehen können. Außerhalb der Paarungszeit leben die See-Elefanten getrennt: Die Bullen ziehen an der Küste entlang weit nach Norden, bis in die Behringsee hinein, die Kühe schwimmen mit den jüngsten Kälbern in den offenen Ozean nach Westen.

Ganz unten am Rand der Tafel lesen wir: "Wenn Dich eine Robbe anschaut, bist Du schon zu nahe!" Die Tiere haben uns ständig in die Augen geblickt!

Birgit ist unglücklich, ihr ist ein Foto-GAU passiert: Die einzige Kamera verabschiedet sich gerade, der Transportmotor ist wohl defekt und manuell geht gar nichts. Ersatz ist frühestens in Monterey, wahrscheinlich erst in San Francisco zu bekommen.

Jetzt spazieren wir in Carmel den Sandstrand entlang. In den Dünen wimmelt es von Grauen Eichhörnchen. Der Ort ist sehr sauber, den Villen ist anzusehen, daß wohl niemand wirklich arm ist. Clint Eastwood lebt hier, war auch mal Bürgermeister. Mit Strandlage, Villenviertel und Geschäftsstraße meinen wir, eine gelungene Mischung aus französischen, italienischen und spanischen Küstenstädtchen vor uns zu haben.

Vorhin haben wir am Ortsrand im Supermarkt Safeway noch einmal reichlich eingekauft, nicht nur Lebensmittel, auch Geschirr und Bestecke. Wir wollen nicht auf Frühstückcafes und pampige Donuts angewiesen sein. Es ist ähnlich wie bei Ralph's: Stammkunden mit Karte bezahlen weniger. Oft ist zu lesen "Pay 1, get 2 - Members only". Also werden wir für jeden Supermarkt eine Kundenkarte benötigen, aber die kann man noch während des Einkaufs beantragen und erhalten. Anträge liegen herum, persönliche Daten und die E-Mail Adresse eintragen (gibt wohl Werbemüll), unterschreiben, abgeben und Sekunden später hält man die Karte in der Hand und bezahlt an der Kasse gleich sehr viel weniger.

In Monterey bummeln wir den Ocean View Drive entlang, auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen, auf dem wir bei möglichst schöner Aussicht den gerade gekauften großen Kuchen vertilgen können. Seeotter treiben faul auf dem Rücken liegend, futtern oder haben die Hände wie Menschen vor dem Bauch gekreuzt. Manche tauchen, holen Seesterne herauf und knabbern das Fleisch aus der harten Hülle. Neben ihnen warten Möwen geduldig auf Reste. Auch komplette Seesterne scheinen für die Möwen Leckerbissen zu sein. Es ist lustig, einer Möwe beim Herunterwürgen der sperrigen und widerspenstigen Mahlzeit zuzusehen. So sehr sie auch würgt, lange noch schauen zwei Arme rechts und links aus dem Schnabel heraus und winden sich, als könnten sie das Unheil noch abwenden. Leider gibt der Fotoapparat kein Lebenszeichen mehr von sich.

Ein Kormoran kämpft mit einem besonders großen Fisch. Immer wieder wirft er ihn hoch, um ihn an der richtigen Stelle packen und mit dem Kopf voran herunterschlingen zu können. Aber der Fisch mag das wohl nicht, er windet sich im unfreiwilligen Flug und der Kormoran greift immer zu weit hinten. Neben ihm lauert schon eine Möwe auf eine Gelegenheit, den Fang zu stehlen. Endlich hat der Kormoran die unwillige Beute im Hals und blickt beinahe stolz in die Runde. Die Möwe paddelt davon. Haubentaucher schwimmen herum, auch Austernfischer, deren Rufe schon länger zu hören waren. Ein Seehund taucht auf, oder ist es ein Seelöwe? Wir können sie nur an den Ohren unterscheiden. Ein einsamer Surfer spielt mit der letzten hohen Welle, jetzt tuckern einige Boote in die Bucht, sonst ist der Ozean völlig leer, so weit wir blicken können.

Bisher schien heute die Sonne vom blauen Himmel, ein schöner Tag nach dem gestrigen Weltuntergang. Aber nun beginnt es wieder zu regnen und der Wind frischt auf.

In Sand City ist neben dem Highway plötzlich eine Werbung von Circuit City zu lesen, einem Elektronik-Supermarkt. Kurzentschlossen kurven wir in die Shopping Area hinein und kaufen eine Canon A 80 für gerade mal 350 $, aber mit nutzloser US-Garantie. Wenn der Fotoapparat die ersten 12 Monate überlebt, war das ein Schnäppchen.

Noch 80 Meilen auf dem Highway 1 bis San Francisco, aber jetzt stehen wir erst einmal im Stau und brauchen für 3 Meilen 20 Minuten. Das Autofahren auf den High- und Freeways ist streßfrei. Man könnte sehr viel schneller fahren, als die erlaubten 65 oder manchmal 70 mph, aber niemand macht das und der Stau hier ist eine Ausnahme. Jeder bleibt auf dem einmal gewählten Fahrstreifen, keep your lane heißt die Regel und so schwimmt man ruhig mit. Ist die Cruise-Control (der Tempomat) eingeschaltet, hat der rechte Fuß genausoviel Bewegungsfreiheit wie der linke, aber der Kraftstoffverbrauch ist etwas höher. So ruhig sind wir noch nie gereist.

In San Francisco begrüßt uns schon bei Dunkelheit eine wunderschöne Einfahrt von den südlichen Hügeln in die glitzernde City. Wie ein Landeanflug. Wir bleiben auf dem Highway 1 bis zur letzten Abfahrt vor der Golden Gate Bridge, biegen hier nur einmal ab und rollen zu unserer Überraschung nach wenigen Minuten auf der Lombard Street den weltberühmten, kurvenreichen Hang hinunter. Nun können wir uns nicht mehr verfahren, das Hotel San Remo ist auf Anhieb gefunden. Für 50 $ erhält man in dem 1906 gebauten, schönen Haus das beste gerade verfügbare Zimmer (klein, aber für die bloße Übernachtung brauchbar) und das Auto darf einen Block weiter in einer Tiefgarage für 14 $ pro Tag parken.

 

4. Tag, Fr. 20.02.2004

Der erste Weg führt zum Hafen an der Fisherman's Wharf und schon nach 500 Metern besitzt Birgit einen neuen Fotoapparat, eine Olympus mit Riesensucher. Der Verkäufer war ein schlitzohriger Profi, Festpreise existieren nicht, aber Birgit kann ja auch feilschen und bei einem Schlußpreis von 70 Dollar kann man eigentlich nicht viel falsch machen.

Der ehrwürdige Pier 39 ist eine reine Touristenzone mit Fastfood-Restaurants und Firlefanzbekleidungsläden, aber neben dem Pier existiert eine äußerst lebendige Seelöwenkolonie auf eigens für die Tiere installierten Holzplattformen. Gleich nebenan, am Steg der Fähre nach Alcatraz, wartet geduldig eine lange Menschenschlange, alles Leute, die freiwillig in das ausbruchsichere Gefängnis wollen. Naja, am Abend geht's ja wieder zurück.

Bei der Auswahl des Weges zur Levis-Plaza entscheiden wir uns für die Direttissima und die führt erst einmal steil hinauf zum Coit Tower. Beim mühsamen Aufstieg (puh!) verstehen wir die hier wirklich beachtete Vorschrift, Autos nur mit zum Gehweg eingeschlagenen Vorderrädern zu parken. Oben auf der ruhigen Ringstraße um das als Turm gebaute Denkmal für Feuerwehrleute geben zwei Kolibris eine seltene Vorstellung: Mit dem sonst nur an Blüten praktizierten Flugverhalten fangen sie einzelne Mücken aus einem tanzenden Schwarm heraus, toll. Der Abstieg zur Plaza mit dem Jeans-Museum ist noch steiler als der Aufstieg. Oben, im noch erträglich schrägen Bereich, erleichtern Betonstufen das Laufen, nach 100 Metern beginnt eine nicht enden wollende Holztreppe. Zu beiden Seiten der Treppe stehen schmale, alte Stadthäuser mit Holzfassaden und gepflegten Vorgärten. Eine ruhige, grüne Oase in der quirligen City, Autos sind hier nicht zu sehen. Am Steilhang wächst eine große Mimose, im Geäst und auf der daneben verlaufenden Stromleitung lärmt, spielt und turnt eine Ara- (Papageien-) Familie. Minutenlang schauen wir dem Treiben der niedlichen Gesellen begeistert zu.

Im Levis Center kommt man wohl nur auf seine Kosten, wenn die Hose die Weltanschauung ersetzt, wir schlendern lieber durch China Town. Hier haben sogar die Straßenlaternen Pagodendächer, alle Geschäfte sind chinesisch beschriftet und nicht immer auch zusätzlich in Englisch. Ist wohl nicht notwendig. Dann das Bankenviertel und südlich der langen Market Street, schon im Viertel South of Market, das Museum of Modern Art. Dessen Zentralbau ist von Botta gestaltet und gleicht der bekannten Kirche im Tessin wie ein Ei dem anderen. Immerhin beantwortet uns der schräg abgeschnittene, schwarz-weiße Marmorzylinder zwei offene Fragen: Nein, die Architektur der Kirche ganz oben im Maggiatal ist nicht spezifisch und kann daher auch keine religiöse Symbolik enthalten. Der Stil ist einfach das Markenzeichen von Mario Botta.

Jetzt wollen wir zur Nummer 1592 in der Folsom Street, der ziemlich aktuelle Reiseführer lobt das dort befindliche Hamburger-Restaurant in höchsten Tönen. Angeblich kein fast food und alles sehr lecker. Und außerdem sind wir ja im Amiland. Auf dem kilometerlangen Fußweg dorthin, vorbei an Werkstätten und schmuddeligen Flachbauten, lernen wir das System der Hausnummern: 1592 ist das 46. Haus im 15. Block (die ungeraden Hausnummern liegen gegenüber), aber in dem schmalen Häuschen befindet sich kein Restaurant mehr, hier ist jetzt ein Nightclub. Paßt auch zur Gegend.

Rechts um die nächste Ecke gegangen und schon stehen wir vor McDonald´s, der Appetit ist noch vorhanden. Nichtsahnend beantworten wir an der Kasse die Frage, ob wir die Futtertüten etwa aus dem Laden hinaustragen wollen, mit ja - draußen lockt eine schöne Bank - und dürfen dafür 8% take-away tax bezahlen. Die Amis sind erfinderisch, wenn es um Steuern geht: Zum Preis der Kamera kamen 7% sales tax hinzu, das Hotel darf 14% addieren, die take-away tax soll wohl Abfälle vermeiden, insgesamt betragen die Aufschläge nicht mehr als unsere Mehrwertsteuer, sind jedoch nie Bestandteil des Preises. Naja, dafür kosten Chicken- und Hamburger nur je 1 $, das sind ja nur 80 Eurocent.

An Fußgängerampeln zeigt ein deutlich lesbarer Countdown von 9 bis 0 Sekunden die nahende Rotphase an, an sehr breiten Straßen tickt der Zähler auch schon mal 20 Sekunden. Ohne Ampel haben die Fußgänger offenbar immer Vorrang: Setzt man auch nur einen Fuß auf die Fahrbahn, bleiben alle Autos stehen. Manchmal ist das richtig peinlich. 

Das Rathaus ist dem Capitol in Washington DC nachempfunden, gegenüber bewundern wir die neue Symphonic Hall und das alte, repräsentative Gebäude der Kriegsveteranen.

Auf dem Weg zum Alamo Square ist ein Schwarzen-Viertel zu durchqueren, um die Straßen McAllister und Webster herum sieht man nur noch Latinos oder Schwarze.  Die Wohnhäuser sind uniforme, einfache, kleine Holzbauten mit nur 2 oder 3 Stockwerken.

Vom Rasen des Alamo Square bietet sich ein beeindruckender Blick über die Häuserreihe der Seven Sisters hinweg auf die Skyline der modernen Innenstadt. Natürlich fehlen jetzt genau die 10 Minuten, die wir für das Verspeisen der Hamburger gebraucht haben: Die Sonne steht schon zu tief, beleuchtet nur noch die Hochhäuser im Hintergrund, jedoch nicht mehr die hübschen Fassaden der kleinen Seven Sisters. Man kann eben nicht alles zugleich machen.

Das Viertel Haight/Ashbury war einst das Zentrum der Flower Power, heute verdient man hier Geld mit der Erinnerung an alte Zeiten. Die Läden versuchen, mit entsprechender Ausstattung die Atmosphäre der späten Sechziger zu konservieren und haben sogar Erfolg. Viel Zweite-Hand-Ware, Schallplatten, Esoterik, Tätowierungen, fernöstliche Lebenshilfe und Wellness, interessante kleine Restaurants. Sicherlich wird man auch irgendwo magic mashrooms erhalten.

An einer Straßenkreuzung wartet neben uns ein junger Mann, auf dessen Baseballkappe ein großes grünes Ost-Berliner Ampelmännchen forsch voranschreitet. Er spricht uns an, hat wohl unsere deutschen Worte mitgehört. Seit 6 Jahren lebt er in San Francisco, stammt, ja, aus Ost-Berlin und freut sich über die hier wohl besonders große Freiheit, genau so leben zu dürfen, wie er es will.

Etwas müde und mit qualmenden Socken sitzen wir jetzt in einer historischen Straßenbahn der Linie F, die uns für 1,25 $ pro Nase von Castro an dem Südwest-Ende der langen Marketstreet bis zur Fisherman's Wharf bringt. Das Fahrgeld muß passend bezahlt werden, die Fahrer geben grundsätzlich kein Wechselgeld heraus. Die Sitze in dem alten Holzwagen sind schief, man rutscht beim Bremsen immer vorn hinunter. Und in der Reihe hinter uns übt eine wohl professionelle Sängerin nach Karaokeart mit CD Player und Kopfhörer ihren Part in einem Musical. Schöne Stimme. Die Marketstreet ist der Prachtboulevard, eine mehrere Kilometer lange Aneinanderreihung guter Geschäftshäuser, bester Hotels und teurer Läden. Der Kurfürstendamm wirkt dagegen beinahe ärmlich.

5. Tag, Sa. 21. 02. 2004

Zuerst wird der gestern belichtete Film der neuen Olympus zum Entwickeln gebracht, das soll nur 90 Minuten dauern. In der Wartezeit fährt uns der Dodge zu den Twin Peaks, von denen man einen schönen Blick weit über die Stadt genießen kann. Der Rückweg führt durch den weitläufigen Golden Gate Park hindurch, das Japanese Teahouse mittendrin verführt zu einem Besuch, der jedoch enttäuschend verläuft. Für 3,50 $ darf man durch einen kleinen japanischen Garten mit japanisch-chinesischen Gebäuden spazieren und in einem zugigen, Imbiß-ähnlichen Pavillon Tee trinken. Uns ist es zu kalt im Pavillon und wir schauen uns lieber die neuen Fotos an, die für 35 Cent je Bild incl. Filmentwicklung ganz gut geraten sind. Birgit ist zufrieden.

Jetzt muß die Brücke über das Golden Gate besucht werden. Am Südtor finden wir tatsächlich einen Parkplatz, direkt neben einer ellenlangen Stretchlimousime, aus der 22 Personen einer Hochzeitsgesellschaft herausklettern. Die Frauen alle mit gleichen Kleidern, sehr sinnvoll, so wird das Wettrüsten vermieden. Uns gefällt die Atmosphäre, die Menschen sind am heutigen Sonnabend in Ausflugsstimmung und bestaunen das Denkmal für den Chefingenieur und das ausgestellte Teilstück des 92 cm dicken Hauptkabels. Dann rollen wir endlich hinüber und fahren natürlich so langsam wie möglich, aber hinter uns würde man gern schneller fahren, denn nicht jeder ist zum erstenmal hier. Niemand jedoch hupt oder drängelt, so benehmen sich die Amis nicht.

Hinter dem Nordtor zweigt ein Scenic Drive nach Westen ab, die sich immer höher in die Hügel des Marin County schraubende Straße bietet an mehreren Stellen spektakuläre Ausblicke auf die Brücke, die City von San Francisco und einen großen Teil der riesigen Bucht.

Der Parkplatz am Nordtor ist fast leer, unter der Brücke hindurch gehen wir zur östlichen Seite, der westliche Gehweg ist für Rad- und Rollschuhfahrer reserviert. Der Spaziergang über die Brücke ist sehr beeindruckend, der Boden vibriert spürbar und die senkrechten Trageseile zittern und schwanken. Der von der salzigen Seebrise provozierte ständige Kampf gegen den Rost ist unübersehbar. Überall blättert die rote Farbe ab. Ein uniformierter Modellathlet radelt uns entgegen und grüßt freundlich, der stämmige Mann gehört zum Wachschutz und soll auch Besucher mit Selbstmordabsichten von ihrem Vorhaben abbringen. Wir haben wohl etwas zu lange am Geländer gestanden und in die Tiefe geblickt. Natürlich ist es windig und kalt, aber das stört nicht, und viel zu schnell sind wir am Südtor, obwohl wir schon eine ganze Stunde laufen. Aber jetzt folgt ja noch der Rückweg, auf dem wir uns genausowenig sattsehen können, wie schon zuvor. Wie ein Schwamm das Wasser, so saugen wir die Atmosphäre auf und versuchen, sie zu bewahren.

Ein kurzer Besuch in Sausalito und dann rollen wir mit dem Dodge noch einmal über die Brücke, die Passage von Nord nach Süd kostet 5 $, stadtauswärts war es kostenlos. Jetzt um 18 Uhr staut sich der Verkehr auf allen drei Fahrspuren in die Stadt hinein, Pannenhelfer und Abschleppwagen lauern in Bereitschaft, auf der Brücke darf niemand stehenbleiben, den Stau mal ausgenommen. Die Vorderwagen der kräftigen Abschleppwagen sind mit dickem Styroporpuffer verkleidet, so läßt sich auch schieben, ohne Schaden anzurichten.

Zum Sonnenuntergang stehen wir noch mitten auf der Brücke und können im Westen die immerhin 45 km entfernten Farallon Inseln mit steilen Zackenbergen gut erkennen.

Sierra Nevada - Mojave Desert - San Diego

6. Tag, So. 22.02.2004

Um 8:40 Uhr sind wir fertig zur Weiterfahrt, den Morgenkaffee liefert der Automat in der Hotellobby für 50 Cent. Es ist etwas trübe und die Straßen sind naß, aber es regnet nicht. Good bye, San Francisco.

Bevor wir in die Sierra fahren, wollen wir noch einmal die See-Elefanten besuchen und sind jetzt 10 Meilen vor Half Moon Bay. Die Sonne strahlt vom Himmel, die Straßen sind immer noch feucht, aber eigentlich ist schönes Sonntagswetter und jeder macht jetzt das, wofür er in der Woche arbeitet. Überall in den Buchten sieht man Surfer und Angler, alle Parkplätze sind voll besetzt. Der Küstenhighway 1 ist hier eine ganz normale Landstraße und windet sich durch die Hügel, auf denen Eukalyptuswälder stehen. Die Brandung ist kräftig, schon 100 Meter vor der Steilküste brechen die ersten Wellen und schäumen auf, die letzten Wellenkämme am schmalen Strand sind sehr hoch. Am Pescadero Beach müssen wir die Brandung fotografieren.

In Monterey am Ocean View Drive schwimmen immer noch die Otter auf dem Rücken, Kormorane sind auch noch da und neben dem Auto bettelt eine Möwe, die wohl bemerkt hat, daß wir zum Lunch ein großes Stück Truthahnbrust aufschneiden. Das ist etwas unbequem im engen PKW, die Handlungsabläufe sind gewöhnungsbedürftig. Inzwischen ist es richtig warm geworden, viele Spaziergänger sind unterwegs.

Vom Ocean View Drive gibt es eine direkte Zufahrt zur Privatstraße 17- Miles-Drive, die am Pazifik entlang durch eine exklusive Villengegend führt und in Carmel endet. Die außerordentliche oder besser: für uns ungewöhnliche Sauberkeit fällt auf, weder Flaschen, noch Dosen, keine Tüten, kein Papier, nichts liegt hier am Straßenrand herum. Birgit meint allerdings, dies wäre auch schon auf den anderen Straßen so gewesen. Auf diesen gebührenpflichtigen 28 Kilometern fährt man an nur wenigen Häusern vorbei, rechts, zur Küste hin, sind es keine 20 - die Grundstücke sind nicht gerade klein. Unerwartete Namen sind zu lesen: Casa del Mar, wie in einer spanischen Feriensiedlung.  Schön gestaltete Zäune, gepflegte Rasenflächen, die alten Bäume sind rundum stark bemoost, hohe Luftfeuchtigkeit wohl auch im Sommer. Links der Straße sind die Gebäude schon nicht mehr so interessant, wie kann man hier auch in der zweiten Reihe wohnen?

Zumindest einige der See-Elefanten haben auf uns gewartet, jetzt gelingen auch Fotos. Sind die Tiere gerade auf Nahrungssuche oder sind innerhalb der letzten drei Tage wirklich schon viele Robben abgewandert?

Auf dem Highway 46 verabschieden wir uns von der Küste und fahren auf superguter Straße durch ein fast unbesiedeltes, wiesengrünes Hügelland nach Nordosten. Sehr selten ist mal ein Gehöft zu sehen, das dann je nach Baustil im Schwarzwald oder in der Provence stehen könnte. Wenige Baumgruppen, erst hinter dem ersten Kamm tauchen Wälder auf, dann Weinstöcke. Man muß sich wirklich bemühen, die 55-Meilen-Geschwindigkeitsbegrenzung einzuhalten, auf dieser breiten und glatten Straße könnte man auch problemlos 80 mph fahren.

Die Zufahrt zum Freeway 101 ist auf drei Fahrspuren durch Ampeln geregelt: Jeweils eine Spur erhält von einer eigenen Ampel ein grünes Signal für genau 2 Autos (das steht auch auf einem Hinweisschild!), so entstehen keine Einfädelprobleme.  Nach wenigen Meilen, gleich hinter Paso Robles,  biegen wir wieder auf die 46 ab und dann geht's auf der 41 weiter bis nach Fresno, wo wir an einer Ampel lesen: Red Light Violation 370 $, was kostet die Mißachtung einer roten Ampel in Deutschland?

Übernachtung im Motel 6, das mit Hilfe der Skizzen im Katalog leicht zu finden ist.

7. Tag, Mo. 23.02.2004

Im riesigen Supermarkt in Fresno stehen wir vor einer Joghurt-Theke, ein 5-stufiges Kühlregal mit 10 Metern Breite, aber die vielen bunten Becher enthalten alle den Aufdruck Fettfrei. Wie kann das denn schmecken, light and fatfree oder 99% fatfree, endlich, ganz oben in einer Ecke, gut versteckt, stehen 6 Becher thick and creamy und genau das suchen wir.

An der schnurgerade nach Osten zur Sierra Nevada führenden Straße 180 ist in regelmäßigen Abständen zu lesen: Wer Abfall aus dem Autofenster wirft, zahlt 1000 $ Strafe! Solche Regeln wünschen wir uns auch in Europa, aber am Fuß eines der Schilder steht demonstrativ ein Stilleben aus McDonald´s Schachtel und Colabecher.

Hier im Hinterland sind keine Villen mehr zu sehen, die Wohnhäuser haben normale Dimensionen, die Autos auch schon mal einige Jahre mehr auf dem Buckel, hier ist man wohl nicht mehr so reich wie am Küstenstreifen.

2 Meilen vor dem Eingang zum Sequoia National Park rollen wir in einen Winterwald hinein. Die Bäume tragen Schnee auf dem Geäst, rechts und links der gut geräumten Straße liegt eine etwa 50 cm dicke Schneedecke. Räumfahrzeuge sind unterwegs und die Pickups rasseln mit Schneeketten. Wir sind jetzt etwa auf 2000 m Höhe, Wolken über und unter uns, die ersten Redwoods lassen sich im Spalt zwischen den Wolkenschichten blicken. Im Park ist die Ringstraße leider gesperrt, es ist eben Winter, aber weil alle Mietwagen Winterreifen haben müssen (Gesetz in Kalifornien!), dürfen wir in den Kings Canyon National Park hineinfahren. Dichtes Schneetreiben, Landschaftsfotos sind nicht möglich, tief verschneite Feriensiedlungen, kaum Menschen zu sehen. Manche der riesigen Redwood Bäume sind so hoch, daß die Krone nicht mehr zu sehen ist; einige Monsterbäume sind in etwa 25 Meter Höhe abgebrochen, am Big Stump sprießen senkrecht Triebe aus der Bruchstelle. Fast jeder der Redwoods hat einen meterhohen Spalt im Stamm über dem Boden, wie ein Zelteingang. Liegt ein umgestürzter Riese schon länger am Boden, so ist das weichere Mark herausgefault und man kann bequem durch die Röhre der harten Rinde hindurchlaufen.

Für die Weiterfahrt nach Süden über Bakersfield in die Mojave Wüste empfehlen uns die Ranger die Rückfahrt nach Fresno und den Freeway 99, die 245 sei viel zu schlecht, zu kurvenreich. Wir wollen es nicht so recht glauben und kurven auf der 245 direkt nach Süden. Ja, viele Kurven, aber eigentlich nur eine für uns normale Bergstraße wie in den Italienischen Alpen. Amis fahren eben gern bequem geradeaus. Unter der Wolkendecke ist jetzt freie Sicht auf eine europäische Landschaft. Grüne Busch- und Baumgruppen auf satten, eingezäunten Wiesen. Alles trieft vor Nässe. Der Unterschied zu den Voralpen: Es fehlen die Häuser, die Landschaft ist nicht zersiedelt. In einer Stunde begegnet uns lediglich ein einziger Jeep. Leider scheinen wir Pech mit dem Wetter zu haben: Es regnet nicht, nein, es stürzen Bäche vom Himmel. Aber da hinten, im Süden, leuchtet ein kleiner, heller Fleck und da wollen wir hin.

Endlich läßt der Wolkenbruch nach, die Durchschnittsgeschwindigkeit bleibt jedoch gering, wegen der kurvenreichen Streckenführung. Durch den winzigen Ort Woodlake rollen wir auf malerischer, niedlich kleiner Hauptstraße hindurch, alle paar Meter ein Begrüßungsschild Welcome in Woodlake, Ladengeschäfte und Banken wie in Wild-West-Siedlungen in Einzelbungalows. In den Wohnstraßen sind die Häuser alle mit der Schmalseite zur Straße gebaut und haben gleich aussehende Vorgärten mit Stellplätzen für die Pickups.

Jetzt haben wir den Freeway 99 unter den Rädern, es regnet mal nicht. Bei Fairlands rollen wir an einer Rinderfarm vorbei, dicht gedrängt, wie die Hühner auf der Stange, stehen die Rinder nebeneinander im eigenen Dreck, vor sich ein Teilstück der mehrere Hundert Meter langen Futterrinne.  

Östlich von Bakersfield windet sich der Freeway 58 durch völlig unbesiedeltes Land um steile Hügelkuppen herum. Diese Zuckerhuthügel stehen dicht gedrängt wie ihre Brüder im südchinesischen Guilin. Dazwischen vereinzelt blattlose Gespensterbäume auf grünbraunen Winterwiesen. Südlich vom Freeway liegt ein Bahngleis, das in dieser Landschaft wie die Trasse einer Spielzeugbahn aussieht. Plötzlich kommt uns ein Zug entgegen, wegen der kurvenreichen Streckenführung um die Hügel herum ist das Ende nicht zu sehen. Auch als die Lok schon längst vorbeigerattert ist, tauchen ganz hinten immer noch weitere Waggons auf, der gesamte Güterzug scheint eine Meile lang zu sein.

Auf dem Freeway liegt eine dichte Wolkendecke, die sich wohl am Kamm der ansteigenden Hügelkette aufstaut. Starker Regen, aber nur wenige Kilometer östlich ist der Himmel hell, der Regen muß doch mal aufhören, schließlich fahren wir auf eine Wüste zu. Noch 20 Meilen bis zur Mojave-Kreuzung.

Drei Meilen weiter wächst zur Rechten auf den Hügeln des Cummings Mountain ein Windgeneratorenpark. Ein Windrad neben dem anderen, nicht nur wie auf einer Perlenkette, nein, es stehen vier Reihen hintereinander am Hang in unübersehbarer Ausdehnung, meilenlang ist die gesamte Anlage. Der Himmel ist noch bleigrau, die Landschaft trübe unter dichten Wolken, eine Windradgruppe steht jedoch leuchtend in der Sonne und zieht den Blick magisch an.

An der Mojave Junction ändert sich die Vegetation abrupt, die Bäume sind plötzlich verschwunden, nur noch vereinzelte Buschgruppen wölben sich über dem okerfarbenen, steinigen Boden. Offensichtlich ist hier der deutlich erkennbare Rand der Mojave Wüste. Die nächste Ausfahrt heißt Sand Canyon, neben dem Freeway begrüßen uns erste pummelige Kakteen. Die Stadt Mojave liegt zwischen kahlen, trockenen und baumlosen Hügeln. Nur noch wenige Wolken über uns, ein weiter Blick über die wüste Ebene ist möglich, im Norden stehen am Horizont schwarze Berge.

Der Klimawechsel ist schon beeindruckend: Eben noch Winterwald in der Sierra Nevada, hier jetzt Wüste. Es ist, als würde man vom Allgäu direkt nach Afghanistan springen.

Von den gerade überquerten südlichen Ausläufern der Sierra Nevada, den Tehachapi Mountains fällt der Freeway schnurgerade in die Ebene hinein. Wie schon in San Francisco, so meinen wir auch hier in einem Landeanflug zu sein, diesmal jedoch in einem Space Shuttle auf die genau hier beginnende, langgestreckte Edwards Air Base. Um diesen Landschaftseindruck festzuhalten, brauchte man ein Panoramabild: 1 Meter breit und 2 Zentimeter hoch.

Der Freeway 14 führt nach Norden, links die Osthänge der Sierra Nevada, baumlos, trocken und graubraun. Dann kurvt die Straße durch den Red Rock Canyon Park, dessen von rubinroten Bändern durchzogene Felswände von der Sonne gerade noch beleuchtet werden. Naturstraßen leiten in Seitentäler, einige Camper bereiten sich schon auf die Nacht vor. Vom Jeep mit Bergzelt bis zur 12-Meter-Motorvilla reicht die Spanne, wir würden gern auch hier bleiben und vermissen unseren Land Rover.

In Victorville steigt man nach Osten eine Geländestufe hinunter, die Ausfallstraße ist wieder schnurgerade geführt, man sieht kein Ende der leuchtenden Kette aus Tankstellen, Liquorshops und Hamburger Restaurants. Wenige Einwohner besiedeln hier eine riesige Fläche.

Übernachtung in Twentynine Palms, wieder in einem Motel 6.

8. Tag, Di. 24.02.2004

Die Motel-6-Kette bietet morgens an der Rezeption eine immer wieder aufgefüllte Kanne mit Kaffee, zweimal balancieren wir 2 große Becher bis zum Zimmer. Schon um 7 Uhr 20 sitzen wir im Auto, es ist noch kalt, aber trocken, und der Himmel ist wolkenlos blau. Drei Meilen hinter dem Eingang begrüßt uns ein Coyote im Joshua Tree National Park, leider mag er keine Fotos und versteckt sich hinter stacheligen Büschen. Ein Cactus Garden genanntes, mit niedlich wolligen Kakteen dicht bewachsenes Tal fordert zur Fotopirsch heraus und dabei stoße ich reichlich unvorsichtig mit meinem rechten Handrücken gegen eines dieser Stachelmonster. Ein faustgroßes Stück bricht ab und bleibt mit vielen Dutzend stecknadellangen Stacheln nach allen Richtungen verhakt in der Haut stecken. Das macht Freude, vor Schmerz gehe ich erst einmal in die Hocke. Zum Glück findet Birgit blitzschnell die Pinzette und dann zupfe ich lange 15 Minuten die mit Widerhaken bewehrten Stacheln aus dem Handrücken heraus. Na, wenigstens injiziert der anhängliche Kaktus kein Gift.

Palm Springs zu Füßen der schneebedeckten San Jacinto Mountains ist ein für uns langweiliges, flach gebautes Wüstennest mit viel zu vielen Golfplätzen. Die intensiv bewässerten, grünen Oasen mit schlägerschwingenden Golfern sehen unwirklich aus inmitten der staubtrockenen, steinigen, rotbraungrauen Wüstenlandschaft.

Bei Alamo am San Diego Airport werden wir den Dodge in Nullkommanichts los. Leider darf man mit Alamo-Fahrzeugen nicht nach Mexiko ausreisen, aber man nennt uns eine Autovermietung, die das gestattet. Ein Anruf und wir werden abgeholt, niemand läuft hier weiter, als bis zum nächsten Parkplatz - Jogger mal ausgenommen.

Der angebotene Toyota Corolla ist schon älter, aber dies ist in Mexiko kein Nachteil. Der Preis ist auch nicht höher als bei den internationalen Vermietern südlich der Grenze und so ersparen wir uns die Bahnfahrt nach Tijuana und die Gepäckschlepperei.

Ohne Halt geht's im dichten Verkehr über die Grenze nach Tijuana, das einen chaotischen und ärmlichen Eindruck macht. Schlaglochstraßen, Holzhütten und Abfallhaufen waren in den USA nicht zu sehen. Dann verfahren wir uns auch noch und stranden in einer Küstensiedlung, aus der heraus keine Straße nach Süden führt.

Das erste Hotel, das wir in Rosarito ansteuern, wirbt mit Blick aufs Meer, aber man führt uns in ein fensterloses Zimmer, ein dunkles, muffiges Loch wie eine Garage, für 25 US$. In der ersten Etage zeigt uns die Senora noch ein 2-Zimmer-Appartement mit dem versprochenen Meerblick, das soll 40 US$ kosten, ist aber genauso muffig. Birgit ist entsetzt, wir flüchten. Um Enttäuschungen zu vermeiden, werden wir wohl die Erwartungen reduzieren müssen. An der Hauptstraße finden wir ein ordentliches Motel für 40 US$, aber ohne Blick auf den Pazifik.

Baja California bis La Paz

9. Tag, Mi. 25.02.2004

Frühstück im Motelrestaurant mit Blick auf blauen Himmel, wir freuen uns auf einen schönen Tag. Birgit hat weiche, süße, zimtige French Toast mit Papaya und Bananen auf dem Teller, ich versuche, einen Berg Rührei mit Schinken, Wurstbrei, Kartoffeln, Tomaten und Tortillas abzutragen. Und das alles für nur 2,99 US$.

Die Dörfer an der Fernstraße MEX 1 haben eine sehr breite Durchgangsstraße, auf der nur 2 Spuren geteert sind, rechts und links 20 Meter Sand. Garagengroße Läden: Lebensmittel, Autoteile, Reparaturen, Elektronik, Spielzeug, Hotels, eine Bäckerei. Alles, was man so braucht. In den Vorgärten der Privathäuser steht immer mindestens ein Autowrack, so verfügt jeder über ein eigenes Ersatzteillager.

In Ensenada brauchen wir Pesos, wir wollen einkaufen. Kurs mit Karte am bequemen Automaten: 13,31 Pesos je Euro incl. sämtlicher Gebühren, für einen Bargeld-Dollar erhält man 10,90 Pesos, also geringfügig mehr je Euro, aber auch die Dollar muß man ja kaufen. Aus einem gut sortierten Supermarkt tragen wir große Tüten mit Obst, Getränken und Frühstücksmarmelade heraus.

Der Liter Benzin mit 87 Oktan (Magna), bleifrei, kostet 5,70 Pesos, das sind 0,43 Euro! Die schlitzohrigen Mexikaner verwenden als Währungssymbol das $-Zeichen wie die US-Amerikaner und haben wohl nichts dagegen, wenn ein Tourist anstelle von 10 Pesos auch mal 10 Dollar bezahlt.

77 Meilen südlich von Ensenada verläuft die MEX 1 auf einer brettflachen Hochebene, im Osten ist eine ferne Hügelkette zu sehen. Das Gelände ist vollständig eingezäunt, aber es ist keine Nutzung zu erkennen, kein Weidetier zu entdecken.

Unmittelbar am Teerrand fällt die Fahrbahn um 20, oft 30 cm ab, in überhöhten Kurven noch mehr. Unfälle mit Überschlägen sind so programmiert. Die mexikanische Variante der Speedbreaker heißt Topes und bei dem Fahrstil der Brummilenker sind diese sicherlich nötig, auf jeden Fall wirksam.

Vor der Siedlung Emiliano Zapata stehen neben der Straße urige Busse, die wohl Landarbeiter in ihre Dörfer transportieren, und jetzt ist doch eine landwirtschaftliche Nutzung zu bemerken: Gepflügte Furchen und weite Areale, die mit großformatigen Folien abgedeckt sind. Die Landarbeiter, viele Dutzend laufen auf die Busse zu, tragen Tücher als Mundschutz, ob die Leute Gifte versprühen?

40 Kilometer vor El Rosario ein Klimawechsel: Der Boden ist knochentrocken, weder Zäune noch Behausungen sind zu sehen. Rechts brandet der Pazifik schäumend an die Küste. Hier gibt es auf einer Strecke von 15 Kilometern viele schöne, freie Wohnmobilstellplätze; ab und zu parkt eines der gewaltigen US-Mobile am Strand. Bis El Rosario freuen wir uns über eine schöne, aber noch nicht wirklich berauschende Landschaft; spärlich bewachsene Berge wie in Nordafrika.

In El Rosario muß man bei Mama Espinoza übernachten und auch speisen; den schon von Steve McQueen gerühmten Hummer-Burritos fehlt leider gerade die wichtigste Voraussetzung, wir wählen die Variante mit Krebsfleischfüllung und sind sehr zufrieden.

10. Tag, Do. 26.02.2004

Der Morgenkaffee ist mit 2 US$ je Becher ziemlich teuer, es ist kalt und diesig. Das einzig Lebendige in dem staubigen Ort ist eine Mädchengruppe, die mit identischen Schottenröcken bekleidet wahrscheinlich auf dem Weg zur Schule ist.

16 Meilen hinter El Rosario beginnt die Kaktuswüste auf der Baja California, viele Arten sind zu unterscheiden, die Pflanzen stehen im Abstand von etwa 15 bis 20 Metern zueinander. Wegen der 8 m hohen, dürren Cyrius-Stengel ähnelt das Gelände einem Gesicht mit Dreitagebart.

Jetzt wird die Landschaft wellig, rund geschliffene Felsen liegen herum und türmen sich zu Haufen. Boulderfield heißt dieser Abschnitt. Die Kakteen rücken dichter zusammen, wir meinen, durch einen Botanischen Garten zu laufen. Kein Mensch ist zu sehen, der Toyota parkt in einer Mulde, nichts stört die schöne, ruhige Stimmung unter blauem Himmel.

Bei Meile 90 südlich von El Rosario schon wieder ein anderes Landschaftsbild: Flache, staubige Ebenen werden begrenzt von erodierenden Tafelbergen, auf dem steinigen Boden wenige Kakteengruppen, ab und zu mal grünbraungraue Buschvegetation. 3 Meilen später steht in steinloser Umgebung der markante Geröllberg El Pedregoso quer zur Straße, besiedelt von Raben und Weißkopfadlern.

Meile 100: Urplötzlich wird die Straße schlecht, grobe Würfelzuckersteine rauhen die Oberfläche auf, Schlaglochkrater und tief ausgefahrene Rillen erfordern etwas mehr Aufmerksamkeit. Bei Meile 105 passieren wir den trockenen Salzsee Laguna Chapala, Spielplatz für Off-Road Freunde. Ab Meile 110 besitzt die Straße eine neue Teerdecke, aber dadurch liegt die Fahrbahn noch höher! Wehe dem, der hier die weiße Randmarkierung überfährt, in den überhöht gebauten Kurven messen wir 80 cm bis zum Sandboden. Hinter einer Kurve ein Restaurant mit den Ausmaßen einer Garage und daneben eine ebenso winzige Autowerkstatt.

Die Hänge der Sierra la Asamblea, die an der Laguna Chapala den Horizont versperrte, ermöglichen einen herrlichen Blick in den Canyon Calamajue, ein gar nicht mal so enges Tal mit verstreuten Hügeln aus Boulderfelsen und mit reichem Kakteenbewuchs. Kein Gebäude, keine Straße, bis zur hohen Bergkette im Osten unverfälscht erscheinende Natur. Aber gerade jetzt steht die Sonne im Zenit, wir verzichten auf Fotos im Mittagslicht.

Eben fuhr der Toyota durch einen dichten Insektenschwarm hindurch, die roten Tiere prasselten auf die Motorhaube und gegen die Scheibe wie Kirschkerne. Aber die kleinen Käfer haben wohl einen harten Panzer, nur wenige Leichen hängen am Wischerarm. Südlich vom Abzweig zur Bahia Los Angeles wächst wieder ein schöner Kakteenwald. Wir parken an einem Regenwassertümpel und spazieren noch einmal durch einen natürlichen Botanischen Garten.

Bei Meile 185 (von El Rosario) blockiert wieder das Militär die Straße, erstmals müssen wir anhalten und die wohl weltweit üblichen Fragen "woher?" und "wohin?" beantworten. Anschließend verläßt die MEX 1 die Berge und senkt sich in eine weite Ebene hinein, auf Guerrero Negro zu.

Meile 200: Am Ort Villa Jesus Maria sind wir heute genau 7 Stunden unterwegs,  das ergibt eine Reisegeschwindigkeit von 45 km/h mit allen Pausen. Die Fahrgeschwindigkeit beträgt ruhige 70 bis 90, selten mal mehr als 100 km/h. Die Verkehrsdichte ist sehr gering, aber ab und zu tauchen große LKW hinter steilen Hügeln auf. Die breiten Brummis brauchen exakt 50% der Fahrbahn, fahren aber nicht selten wegen der gewölbten Decke und wohl auch wegen des Randabsturzes mit der Leitlinie zwischen den Rädern.

Bei Meile 213 markieren eine weithin sichtbare, fassadengroße Mexiko-Flagge und ein kantiger Betonadler inmitten eines kreisrunden Militärlagers den 28. Breitengrad. Hier an der Provinzgrenze zwischen Baja California Norte und Baja California Sur wird die Uhr eine Stunde vor gestellt, die Halbinsel verläuft ja nach Südosten. Rund um das Lager nisten Adler auf Strommasten, eine Pemex-Tankstelle, ein teures, aber häßliches Hotel und ein schneeweißes Walskelett vervollständigen das Bild. An der Kontrollschranke fragt man erstmals nach der Touristenkarte, einer Aufenthaltserlaubnis für die gesamte Baja California. Die besitzen wir nicht, können sie uns jedoch gleich nebenan in einer Baracke ausstellen lassen. Das geht im Handumdrehen, noch nie haben wir so schnell arbeitende Staatsdiener gesehen. Anschließend narrt mich der Wüstenwind: Die gerade erhaltene Touristenkarte weht mir aus der Hand und wird von bissig kräftigen Böen immer genau dann 10 Schritte weiter getrieben, wenn ich mich nach ihr bücke. Mehr als 100 Meter hetze ich so dem Papier hinterher, Birgit hat jetzt Bauchweh vom Lachen.

Die Cabanas neben dem Restaurant Malarrimo in Guerrero Negro sind leider mit einer Gruppe amerikanischer Whale Watcher belegt, 2 Blöcke weiter finden wir im Hotel Morro ein gutes Zimmer. Zum Dinner fahren wir zurück zum Malarrimo, die hier angebotenen Jacobsmuscheln sind eine wahre Götterspeise und die Atmosphäre im Restaurant ist wirklich angenehm.

11. Tag, Fr. 27.02.2004

Um 8 Uhr läutet die Glocke zwischen den Cabanas und dem Restaurant Malarrimo, der Fahrer des langen, alten US-Busses startet den Motor. Am Hafen warten kleine Boote, die in die Laguna Ojo de Liebre hinaustuckern und uns hautnah an Walmütter und ihre Kälber heranbringen. Von den nördlich gelegenen, ausgedehnten Dünenfeldern treibt der kräftige Wind Landzungen ins Wasser, so entstanden flache, langsam versandende und gut geschützte Buchten. Eine ideale Kinderstube für die Wale, böse Orcas trauen sich hier nicht herein.

Die Wale kommen neugierig an die nußschalenkleinen Boote heran, schauen auch manchmal aus dem Wasser heraus. 3 Stunden vergehen viel zu schnell.

Am Rand der großen Lagune wird Meersalz gewonnen, die Salinen sind Hauptarbeitgeber der Stadt und gehören zu 51% dem Staat Mexiko und zu 49% Mitsubishi. Wir hören, daß die Arbeiter in einem separaten Ortsteil leben und im Jahr angeblich mehrere Millionen Tonnen Salz aus den Becken schaufeln.

Kommt man vom Leuchtturm bei der Alten Werft auf der schmalen Landzunge zurück in den Ort, entdeckt man den Windschutz der Stadt: Drei gestaffelte Reihen Bäume wirken als Windbreaker. Und auf den Strommasten daneben nisten Weißkopfadler.

Am Abend lassen wir uns noch einmal im Malarrimo verwöhnen, die himmlischen Jacobsmuscheln sind wirklich verführerisch und der Wein ist auch gut.

12. Tag, Sa. 28.02.2004

Schon um 7:30 Uhr sind wir unterwegs, die Oase San Ignacio ist das Ziel. In der wieder brettflachen Wüste, der Desierto de Vizcaino, staut sich vor jedem Stein und an jedem Kaktus der aus Guerrero Negro herausgewehte Müll. Äußerst unschön. Die wenigen Fahrzeuge auf der langweilig geraden Straße besitzen keine Kennzeichen, bei einem Unfall hätte man keine Möglichkeit, den flüchtenden Gegner zu identifizieren.

Wir drehen am Radio herum, aber das rauscht nur. Seit 3 Tagen, seit El Rosario, ist kein Sender mehr zu empfangen. Das Telefon findet auch keinen Mast zum Plaudern.

Nach 38 Meilen wachsen hinter einer kleinen Siedlung großflächige Plastikzelte, vielleicht Gewächshäuser. Beeindruckende Dimensionen: Jede "Haus"-Einheit hat eine Seitenlänge von mehreren 100 Metern, bei ca. 3 Meter Höhe. Die Plastikbahnen begleiten uns beinahe 3 Kilometer, eine riesige Anlage, aber es bleibt verborgen, was darunter gedeiht.

40 Meilen südöstlich von Guerrero Negro lassen sich Yuccapalmen und hohe Kakteen blicken und am Straßenrand beseitigt ein Trupp Arbeiter machetenschwingend den Seitenbewuchs. Wir halten dies für nachteilig, die dürren Büsche waren eine gute Markierung für den unbedingt zu meidenden hohen Rand des 5 bis 6 Meter breiten Teerbandes.

Nach endloser Geradeausfahrt auf der wortwörtlich schnurgeraden Straße wird die erste Kurve seit Guerrero Negro überdeutlich angekündigt, außerdem geht's danach gleich noch durch ein Vado, ein trockenes Flußbett. Ein halbes Dutzend Tafeln warnt und mehrere Topes reduzieren nicht nur die Geschwindigkeit, sondern rütteln auch jeden eingeschlafenen Lastwagenfahrer wach. Dann ein Militärposten, der den Toyota wieder freundlich durchwinkt, und plötzlich umgibt uns ein dichter Palmenwald und auf einem See paddeln Wasservögel. Die Oase San Ignacio verdankt ihr reiches Grün den spanischen Missionaren, vor deren Ankunft Palmen hier unbekannt waren.

Die wuchtige Missionskirche ist fast schon eine Festung, gegenüber werden die den Meßwein liefernden 25 Rebstöcke gerade beschnitten, am Marktplatz finden wir ein schönes, altes Post- und Telegrafenamt und in einer Seitenstraße ist die Werbung eines J. Fischer zu lesen, der Kunden für Walbeobachtungen und Bergtouren sucht. Zukunftssicherer Nebenjob des Deutschen Außenministers?

Dann führt die Straße kurvenreich durch schwarzes Lavageröll nach Osten auf den zentralen Bergrücken zu, der abschnittsweise verschiedene Namen trägt, hier heißt er Sierra San Pedro. Haben wir uns schon an die mexikanische Lebensweise angepaßt? Es ist 12 Uhr mittags und uns beiden fallen die Augen zu, eine Siesta ist jetzt nötig.

Aber erst wollen wir an den Golf von Kalifornien, zum Meer von Cortez, das schon lange auf der Liste unserer Traumziele steht. Champagner haben wir nicht dabei und so feiern wir das Erreichen der Wasserlinie mit einem Schluck süßer Bonbonwasserlimonade.

Die Luftfeuchtigkeit über dem Golf scheint gering zu sein, scharf trennt der Horizont das tiefdunkelblaue, ruhige Wasser vom beinahe wolkenlosen Himmel. 

Der Lunch vertreibt die Müdigkeit und dabei unterhält uns eine Schar Brauner Pelikane. Die großen Vögel stürzen wie Kampfflugzeuge senkrecht auf das Wasser, der Körper taucht jedoch nie ein, Hals und Schnabel müssen ausreichen, um die Beute zu erwischen. Auf den folgenden Kilometern nach Santa Rosalia meinen wir, durch eine Müllhalde zu fahren. Vom täglichen Haushaltsmüll über Autowracks und Möbel bis zu völlig vergammelten Industrieanlagen, alles was man wegwerfen kann, scheint hier zu lagern und verschandelt die schöne Landschaft. Welch ein großer Unterschied zum sauberen US-Kalifornien.

Am Ortseingang versucht eine stattliche Anzahl von Straßenhändlern Gebrauchsartikel wie Kinderwagen, Küchenherde und Plastikgeschirr an den Mann zu bringen.

Santa Rosalia ist eine alte Minenstadt mit kleinem Hafen, früher mal im Besitz Frankreichs. Die Kolonialherren, die hier jedoch lediglich Pächter waren, hinterließen eine typische Architektur: Flache, blaßfarbige Holzhäuser mit breiten, überdachten Veranden. Und die Kirche der Stadt stammt von Monsieur Eiffel, ist aus Eisenfertigteilen zusammengesetzt und war eigentlich für eine Mission in Afrika bestimmt. Eine mysteriöse Routenänderung des Transportdampfers hat die einzigartige Konstruktion hierher verschlagen. Die selbst vom Reiseführer erwähnte Bäckerei wirbt mit "weltberühmtem Brot", hat aber schon am frühen Nachmittag nichts mehr zu verkaufen.

Hier an der Küste ist das Teerband der Straße in den tief eingeschnittenen Vados unterbrochen, auf Schotterpisten rumpelt der Toyota durch die trockenen Flüsse.

Die nächste von Missionaren gegründete Oase heißt Mulege und liegt an der Mündung des gleichnamigen Rio. Eine Straße führt durch den Ort, an Mangroven vorbei, bis zum Leuchtturm am kleinen Fischerhafen, an dem wir einen Schweizer treffen, der Tauchausfahrten anbietet. Er sagt uns ehrlich, daß jetzt keine Nachfrage besteht, weil die Wassertemperatur mit 15 Grad zu niedrig ist. Wir würden schon abtauchen wollen, zur Not mit zwei Schichten Neopren, aber seine Ausrüstung ist auf US-Amerikaner abgestimmt und die kleinen 11 Liter-Flaschen, die er mit einem Niederdruck-Kompressor auch nur mit 150 Bar befüllen kann, enthalten im besten Fall nur 1650 Liter Luft und erlauben im kalten Wasser lediglich kurze 30-Minuten-Tauchgänge. Das lohnt den Aufwand nicht.

Hoch über dem Ort überblickt die Missionskirche das ganze Tal, beim Spaziergang um die auch mal als Gefängnis genutzten Gebäude fällt Birgit von einem plötzlich wackelnden Steinblock herunter und bleibt erst einmal am Boden liegen. Als der Rundgang nach einer Weile humpelnd fortgesetzt werden kann, kreisen schon 3 Geier über uns!

Im Ortzentrum übernachten wir im einfachen, aber sauberen Hotel Las Casitas in einer Casita (Häuschen) im Blumengarten.

13. Tag, So. 29.02.2004

Jetzt endlich, hier an der Bahia Concepcion, einer 30 Kilometer langen und 4 bis 7 Kilometer breiten, von Bergen gut geschützten Bucht, ist das Klima genau so, wie man es sich in Südkalifornien wünscht: Sonnig, trocken, warm und windstill. Das klare Wasser der Bucht ist ruhig wie in einer Badewanne. Hier ist ein Traumziel vieler US-Camper und deshalb werden die besten Plätze an den Privatstränden nur gegen harte Dollars vermietet. Aber zumindest am Westufer der Bucht ist niemand wirklich allein und muß die Musik des Nachbarn ertragen. Und leider hinterlassen einige Besucher dieses einstigen Paradieses einen stinkenden Abfallberg. Rostende Bier- und Coladosen, Saftkanister, Schuhe, haufenweise Plastiktüten und Papierstapel zeugen nicht gerade vom Leben im Einklang mit der Natur.

Zwischen dem Südrand der Bahia Concepcion und Loreto gestattet die sehr trockene Luft weite Blicke in die jetzt rechts, also westlich von uns liegende Zentrale Bergkette, die hier Sierra de la Giganta heißt und bis auf 1200 m ansteigt.

Loreto erscheint uns zunächst als Geisterstadt, nur sehr wenige Menschen auf der schön gestalteten Strandpromenade Malecon und kaum ein Fahrzeug in den Straßen. Halbfertige Häuser und offenbar leere Hotels bestärken den ersten Eindruck. Das gerühmte La Pinta Hotel finden wir in einem reizvollen Palmengarten, ein Zimmer kostet 80 US$ oder knapp 1000 Pesos je Nacht. Erst in der Fußgängerzone an der "Mutter aller Missionen" in Nieder- und Oberkalifornien, laufen wir nicht mehr allein herum. Hier strömen gerade mehr Menschen in die Kirche, als hineinpassen.

Jetzt suchen wir eine Bäckerei und entdecken zunächst eine kleine Bar, in der frisch gepreßter Orangensaft angeboten wird. Der Viertel-Liter Becher, randvoll mit köstlichem Saft, kostet 8 Pesos.

40 Meilen südlich Loreto verabschiedet sich die MEX 1 vom Golf und steigt in nur von Kakteen besiedeltem Gelände in die Sierra de la Giganta hinein. In größtmöglicher Sichtweitenentfernung, hier etwa nach jeweils 50 Kilometern, stehen Mikrowellenstationen auf den Bergrücken. Nein, nichts zum Essenwärmen, mit der Mikrowelle werden Telefongespräche übertragen.

Von der hochgelegenen Straße ergeben sich immer wieder schöne Blicke in idyllische Seitentäler, unbesiedelt, dicht bewachsen mit Kakteen und ab und zu ist sogar ein glitzernder Wasserlauf zu sehen.

Bei der Fahrt durch Ciudad Insurgentes fallen fußballgroße, stachelige Kugeln auf, die um die Hochspannungsleitungen herumgebaut sind und aussehen, wie Riesenviren. Es müssen Vogelnester sein, die wir in dieser Form noch nie gesehen haben.

Von Ciudad Insurgentes verläuft die zunächst 4-spurige Straße gerade wie vom Lineal gezogen für genau 80 Kilometer durch brettflaches, ödes Gelände nach Südsüdost. Tafeln erinnern, daß dies keine Hochgeschwindigkeitsstrecke ist, aber obwohl wir schon deutlich über 100 km/h fahren, überholen uns donnernd und staubend Lastwagen mit jeweils 2 Anhängern. Bei Santa Rita ein Knick nach Osten, erodierende Tafelberge tauchen auf und schon hat das Auge wieder etwas zum Festhalten.

Schon kurz nach 16 Uhr sind wir in La Paz, die knapp 500 Kilometer Fahrstrecke von Mulege waren leicht zu bewältigen, und suchen zunächst das vom Reiseführer empfohlene Hotel Jeneca in der Innenstadt, kommen jedoch in dem Netz der Einbahnstraßen nicht ans Ziel und verspüren eigentlich auch keine Lust, weitab vom Golf in der staubigen Innenstadt zu wohnen. Etwas nördlich der City gefällt uns die Anlage des Hotel Moro auf Anhieb, eine geradezu riesige Suite wäre auch noch für 80 $ zu haben, aber leider nur für eine Nacht, und so starten wir durch und fahren gleich hinaus nach Pichilingue zum Club Cantamar, in dem sich auch die Tauchbasis befindet. Nach einigem Hin und Her beziehen wir ein großes, ganz neues Eckzimmer in der 2. Etage, von dem wir nach allen Seiten aufs Wasser blicken können.


14. Tag, Mo. 01.03.2004

Zuerst hinein nach La Paz, wir brauchen viele Liter Säfte und Limonaden, Frühstückskaffee und etwas für den keinen Hunger zwischendurch. Zwei große CCC-Supermärkte offerieren ein reichhaltiges Angebot nach US-Amerikanischer Art, ergänzt um lokales Obst und Gemüse. Man kann alles, was man will und noch viel mehr erhalten und findet sogar freundliche Verkäufer.

Ursprünglich wollten wir ja von Los Angeles nach La Paz fliegen, einige Tage Tauchen und dann mit einem Mietwagen den Süden der Halbinsel erkunden, jetzt fragen wir mal bei National Car Rental nach den Preisen. Ein Fahrzeug wie unser Toyota hätte für 3 Wochen ca. 1000 US$ gekostet.

Über Pichilingue hinaus kann man bis zur Punta Coyote an der Nordspitze der Halbinsel fahren, die letzten 8 Kilometer auf Sandwegen. Ein schöner Spaziergang mit Muschelsuche an menschenleerer Küste und im Kaktuswald der Seitentäler ist Balsam für die Seele, hat aber auch kräftig gerötete Gesichter zur Folge. Im Naturhafen Puerto Balandra parkt an schneeweißem Strand ein einziges Campingauto, hier wären wir jetzt gern mit dem Landy unterwegs.

15.Tag, Di. 02.03.2004

Tauchfahrt zur 50 Kilometer entfernten Felseninselgruppe Los Islotes nördlich der großen Insel Espiritu Santo. Wir sind nur sechs Taucher auf einem großen Schiff, auf das andere Basen auch schon mal 20 Personen pferchen würden, haben also viel Platz und genießen die lange Anfahrt. Am Ziel wartet eine Seelöwenfamilie, die während der drei interessanten Tauchgänge mit uns spielt. Die Tiere umkreisen uns nicht nur in Armreichweite, sie suchen den direkten Kontakt. Ein Seelöwe hätte gern eine meiner gelben Flossen, beißt hinein und will sie mir vom Fuß ziehen, für einige Sekunden zerren wir beide an der Flosse hin und her, wie zwei spielende Hunde an einem Pantoffel. Birgit wird eng umkreist und hört es auf ihrem Kopf laut krachen (und spürt es auch noch lange!), als eine Robbe das golden schimmernde Haar näher untersuchen möchte. Eine andere Robbe meint wohl, wir wären zu träge, zwickt  Birgit in den Unterarm und erwartet sicherlich eine spannende Verfolgungsjagd. Immer wieder fühlen wir uns animiert, den Schwimmstil der Seelöwen mit ständigen Körperdrehungen und Salti zu kopieren, sind für diesen Spaß aber nicht wirklich gebaut, jedenfalls wird uns bald schwindlig. So bleiben wir dann in der üblichen ruhigen Schwebeposition und betrachten die putzigen Gesellen, die um uns herum toben.

Zu weiteren Tauchgängen in den nächsten Tagen können wir uns jedoch nicht entschließen, das Wasser ist bitterkalt und die geliehenen Neoprenanzüge passen nicht exakt, sodaß zuviel Wasser an die Haut strömt. Hier müßte man jetzt mit Trockenanzügen und dicker Unterwäsche tauchen.


La Paz - Cabo San Lucas

16. Tag, Mi. 03.03.2004

Eine Empfehlung führt uns in La Paz in das Restaurant Moyeyos an der Küstenstraße. Man sitzt wie am Strand auf Sand, unter dem Wellblechdach pendelt ein aufgeblasener Kugelfisch mit Sonnenbrille, die Musik ist so ansteckend, daß selbst die über die Tische huschenden Spatzen im Rhythmus zu fliegen scheinen und die junge Küchenmannschaft hat offensichtlich Freude an der raffinierten Zubereitung schmackhafter Gerichte aus fangfrischen Meeresfrüchten. Gerade mal 8 Euro bezahlen wir für Speisen und Getränke und es stört in dieser angenehmen Atmosphäre auch nicht, daß ein vom Blechdach nicht wirklich aufgehaltener Wolkenbruch zum Wechsel des Tisches zwingt. It never rains in southern California!

Der starke Regen hat unser gut verstaubtes Auto ein wenig gereinigt, aber jetzt werfen die Reifen mit Matsch um sich. Der trockene Boden kann das viele Wasser gar nicht aufsaugen, überall stehen Tümpel und in den Furten plätschern kleine Bäche. 20 Kilometer südlich von La Paz umgibt uns wieder ein Kaktuswald, zwischen den Pflanzen wächst jedoch dichtes Dornengesträuch, sodaß man nicht umherlaufen kann. Es ist hier nicht wie in einem Labyrinth, in dem es immer noch einen versteckten Pfad hinter dem nächsten Kakteenknäul gibt, hier stehen die Dornenbüsche so dicht, daß man nach wenigen Schritten umkehren muß.

In Todos Santos lockt wieder der Pazifik. Die vermeintliche Zufahrt zum Hafen wird jedoch zu einer nach Norden führenden Wellblechpiste, der wir aus blanker Neugier für 20 Kilometer folgen. Zwischen dem bleigrauen Wasser und der staubigen Straße stehen vereinzelt Häuser auf baumlosen Grundstücken, einige werden zum Kauf angeboten. Ein Golfplatz wartet wohl schon lange vergebens auf Gäste, die Greens sind zugewuchert, bald wachsen Kakteen, im daneben liegenden schattenlosen RV Park (Campingplatz) ist nicht ein einziger Camper zu sehen. Tote Hose hier. Die Piste wird schlechter, entweder man fährt mit maximal 15 km/h jede Welle aus, oder man läßt den Wagen mit mindestens 90 km/h über die Wellentäler fliegen, jede Geschwindigkeit dazwischen rüttelt uns den Kopf vom Hals, wir kehren um und suchen eine Zufahrt zum Pazifik südlich des Ortes.

Aber vorher muß noch ein Hotel für die Nacht gefunden werden. Das durch den Song der Eagles berühmt gewordene Hotel California erinnert an die Zeiten, zu denen die Spanier hier noch die Herren waren. Das alte Tor zur Remise und die Einrichtung der Lobby sind schon einen Blick wert, ein Zimmer kostet 100 US$, ein bißchen viel, wir wollen ja nur übernachten und morgen zum Kap an der Südspitze weiterfahren. In einer Nebenstraße bietet eine Wendy aus US-Kalifornien 5 Cabanas (kleine Lehmhäuser) an. Neben der geschlossenen Rezeption ist zu lesen:

"Hallo, willkommen. Sorry, daß ich nicht hier bin, um Sie zu begrüßen. Ich bin gerade mein Pferd füttern.

Wenn Sie ein Zimmer suchen, Nummer 2,3 und 4 sind heute noch frei. Sehen Sie sich um und wenn Ihnen etwas gefällt, so richten Sie sich ein. Ich bin spätestens um 19:00 zurück. Bis dann, danke, Wendy."

Wir sehen uns um, aber auch diese Cabanas sind eher für einen längeren Aufenthalt, als für eine einzige Übernachtung geeignet und so entscheiden wir uns für das saubere Motel gegenüber vom California. Geräumige Zimmer in der ersten Etage mit ordentlicher Dusche kosten 25 US$, bar zu bezahlen im Waschsalon um die Ecke. Eine Kaffeemaschine ist auch vorhanden, das Frühstück also gesichert.

Ein paar hundert Meter südlich von Todos Santos zweigt ein frisch gehobelter Sandweg zur Punta Lobos ab, sogar hier, mitten im Nichts, beseitigen Straßenarbeiter mit Macheten den Randbewuchs. Am Felsen Punta Lobos begrüßt uns ein schöner, einsamer Sandstrand im warmen Abendlicht und Geier, Möwen und Adler streiten sich um die Reste des Beifangs, den die gerade hinwegtuckernden Fischer hier aus dem Netz geworfen haben. Beifang? Es sind kleine Haie, denen sämtliche Flossen fehlen. Nur die lassen sich wohl an Asiaten verkaufen. Mag denn hier niemand ein zartes Haisteak?

17. Tag. Do. 04.03.2004

Der Februar scheint hier dem deutschen April zu entsprechen, gestern noch gezittert, denken wir heute an die Sonnencreme. Und das schon um 8 Uhr morgens. Auf dem Weg zur Südspitze der Halbinsel begleiten uns im Osten die beachtlich hohen und steil gezackten Berge der Sierra de la Laguna, der südlichste Abschnitt des zentralen Rückrats der Baja California. Wenn es hier mal regnet, hat das abfließende Wasser offensichtlich enorme Kräfte: In einem gerade durchfahrenen Vado liegen dicht gepackt kugelrunde, rote Steine von beachtlicher Größe - die Medizinbälle müssen aus der Sierra stammen.

Zwischen El Pescadero und der Siedlung Colonia Elias Calles stehen hübsche Häuser an der Küste, For Sale- Schilder sind nicht mehr zu sehen.

Etwa 10 Kilometer vor Cabo San Lucas hat man von der noch höher gelegenen Straße einen schönen Blick auf die allerletzten Felsen, die am Kap im Meer verschwinden. Links, östlich, das ruhige Meer von Cortez, im Westen der rauhere Pazifik, da unten ist wirklich Lands End. Die nächste Landmasse in genau südlicher Richtung ist die Antarktis.

Am Ortseingang verkündet eine Tafel stolz die momentane Einwohnerzahl: 37.990 - wieviel Gäste wohl hier wohnen? Immerhin ist die Region um das Kap das Mallorca der US-Amerikaner.

Wie immer, fahren wir erst einmal so weit wie möglich an das Wasser heran. Am sehr gut ausgebauten Hafen darf man bis zum Leuchtturm rollen und die zahlreichen Jachten oder auch das nagelneue Einkaufs-, Wellness- und Jubel-Trubel-Zentrum bewundern, das die verwinkelte Marina umschließt. Am Hafentor begegnen sich gerade jetzt zwei größere Segelschiffe, beide als Piratensegler verkleidet, und zur Freude der Passagiere begrüßt man sich mit je einem Kanonenschuß.

Hier wollen wir einige Tage verbringen und suchen zunächst östlich des Ortes an der Old Road ein Basislager. Eine hübsche Junior-Suite wird für 50 US$ angeboten, aber eigentlich liegt das Hotel zu weit vom Schuß, irgend etwas Passendes muß sich doch auch mitten im Ort finden lassen. Ist auch so: Nur wenige Schritte vom belebten Malecon entfernt, versteckt sich eine ruhige und sehr gepflegte Hotelanlage, das Villas del Pescador, beinahe eine Oase im Lärm. Die große Suite mit mehreren Räumen und riesiger Terrasse ist gut ausgestattet und kostet für 3 Nächte 1400 Pesos, das sind etwa 105 Euro.

Am Abend bummeln wir noch durch das Einkaufszentrum an der Marina, das mit spiegelblanken Marmorböden, großzügigen Hallen, vielen Restaurants und guten Ladengeschäften ein wenig an die Zentren in Jakarta erinnert. In den oberen Etagen sind noch lange nicht alle Läden vermietet, es wird noch gewerkelt. Dafür kann man im Erdgeschoß bereits "garantiert echte"  Ritterrüstungen der alten Spanier kaufen - made in China? Das Dinner wird im Mariscos Matzatlan serviert, für Birgit zarte Shrimps in Wein, für mich ein geradezu riesiges Seebrassen-Filet mit Mandelsoße. Zum Abschluß probieren wir je eine ortstypische Margarita und die läßt uns beinahe unter den Tisch fallen - war wohl 99% Tequilla in dem 0,5 Liter Glas.

18. Tag, Fr. 05.03.2004

Ruhepause am Swimmingpool, Bummel durch den Ort und abends finden wir am Strand das Pendant zum Ballermann. Mit Miß-Bikini-Wahl, grölenden Boys und brüllender Musik; Margarita ersetzt die mallorcinische Sangria. Dinner im Restaurant Mocambe: Je eine unerwartet große Portion Cevice (roher Fisch, mit Tomaten und Zwiebeln, alles klein gewürfelt und scharf gewürzt) als Vorspeise, zum Hauptgang für Birgit eine Platte Meeresfrüchte mit einem großen Krebs, Oktopus-Muschel-Salat, einem nach Seespinne aussehenden, wohlschmeckenden Meeresbewohner und zwei schönen, saftigen Garnelen, deren Panzer  schon geöffnet waren, für mich wieder ein großes, zartes Filet eines nicht näher erläuterten Fisches.

19. Tag, Sa. 06.03.2004

Birgit meint, wir hätten zu wenig Bewegung und brauchten etwas Frühsport, und so schmettert sie beim Vorbereiten des Frühstücks erst einmal ein Glas Salsa picante auf den Boden. Was für eine schöne rote Farbe in interessantem Muster an den weißen Wänden! Nach 30 Minuten war dann die Küche wieder sauber.

Jetzt fahren wir nach San José del Cabo. Beide Orte an der Südspitze der Baja California werden schon in naher Zukunft durch eine lückenlose Kette umzäunter Hotels miteinander verbunden sein, zwischen der 4-spurigen, 30 Kilometer langen Schnellstraße und den Stränden sind schon jetzt nur noch wenige freie Bauplätze. Nördlich der Straße ergänzen wasserschluckende Golfplätze den Umbau der Landschaft, aber weshalb sollten sich die Mexikaner auch anders verhalten, als alle anderen, denen die Touristen in Massen das Geld bringen? Hurghada und Port Safaga waren auch einst durch 60 Kilometer staubtrockene, unbelebte Ägyptische Wüste voneinander getrennt.

Zurück in Cabo San Lucas, laden wir im CCC-Supermarkt den Toyota mit Getränken bis unters Dach voll. Wieder sind wir über das reichhaltige Angebot, die tolle Präsentation und die freundlichen Angestellten überrascht. Ganz selbstverständlich tragen die Leute einen Mundschutz, wenn sie unverpackte Lebensmittel (Fleisch, Käse, Antipasti, selbst Brot!) verkaufen und die pechschwarzen Haare sind in einem Netz eingehüllt.

Rückfahrt Cabo San Lucas - Tecate

20. Tag, So. 07.03.2004

Die Nacht war ruhig, obwohl das Hotelpersonal vorsorglich auf möglichen Discothekenlärm hingewiesen hatte. Schon früh am Morgen starten wir zur Rückfahrt gen Norden, aber zunächst wollen wir an der ersten Pemex-Zapfsäule den Tank füllen. Dabei erregt der ziemlich verstaubte Toyota die Aufmerksamkeit eines alten Mannes, der viel flinker als die etwas trägen Tankwarte fragt, ob er unsere Scheibe reinigen solle. Natürlich soll er, sehr zum Unwillen der Tankwarte, die auf ihn einschimpfen und uns zu erklären versuchen, daß er das Trinkgeld doch nur in Tequilla umsetzt. Aber wir geben dem Alten gern ein paar Pesos, soll er damit doch machen, was er will. Eifersüchtig bewachen die Tankwarte ihren Wassereimer, der Alte darf seinen Schwamm dort nicht hineintunken und so bleiben ein paar Streifen auf der Scheibe. Prompt weisen die Tankwarte triumphierend auf die Schmutzreste hin und polieren demonstrativ die Scheibe. Den Kleinkrieg hat der Alte dennoch gewonnen, er wollte etwas Geld und hat es bekommen. Wieder einmal überrascht der geringe Benzinverbrauch des Toyota: 180 Meilen seit dem letzten Tankstop gefahren und mit Mühe lassen sich 24 Liter in den Tank quetschen, macht etwa 8,4 Liter je 100 Kilometer und dabei läuft die Klimaanlage ununterbrochen.

Auf der MEX 19 freuen wir uns über das nun in Fahrtrichtung in die Landschaft fallende Licht. Wenn die Sonne hinter uns scheint, ist das Fahren angenehmer. Bereits nach 2 Stunden und 20 Minuten ist schon wieder La Paz passiert, auf etwas abenteuerlicher, sandiger und welliger Umgehungsstraße, die kurz vor der Einmündung in die MEX 1 plötzlich im Nichts endet. Aber der Toyota kann ja auch über ein Kaktusfeld fahren. Heute sehen wir schon das zweite Fahrzeug, das mit einer Reifenpanne am Straßenrand steht, auf der rauhen Asphaltdecke wird ganz schön schnell gefahren.

Raststätte an der Mex 1

Die Strecke zwischen La Paz und Ciudad Constitucion ist nicht wirklich interessant. In der beinahe unbesiedelten, lebensfeindlichen Region scheinen sich nur Kakteen wohl zu fühlen, aber vielleicht würde unser Urteil anders ausfallen, wenn wir mit einem Geländewagen die künstliche Lebensader MEX 1 verlassen könnten. So gegen 13 Uhr rollen wir dann doch einige Kilometer offroad in die Wüste hinein. Knallige Hitze, keine Luftbewegung, puh, nein, hier würden wir auch nicht wohnen wollen. Während der Rast muß der Motor weiterlaufen, damit die Klimaanlage arbeitet, es wäre sonst nicht auszuhalten, auch nicht mit vier geöffneten Fenstern. Am Restaurant Rosita, nahe dem Abzweig nach Santa Fe, geht es wieder auf die MEX 1 zurück.

In Ciudad Constitucion zweigen wir nach Westen ab, zum Ort San Carlos an der Bahia Magdalena, dort sollen noch Wale zu beobachten sein.

Nach 6 Meilen der Abzweig zum Ort Villa Benito Juarez, dann noch die kleine Siedlung Ejido Dominguez und dann ist die Landschaft wieder menschenleer. Am Ende eines geraden Straßenabschnittes narrt uns eine Luftspiegelung: Meterhohe und baumstammdicke Pfosten scheinen die Fahrbahn zu sperren, bei der Annäherung lösen sich die Pfähle jedoch buchstäblich in Luft auf. Die erste Kurve nach vielen Kilometern ist ausnahmsweise mal mit einer Leitplanke abgesichert und deren niedrige Eisenpfosten werden von der konvexen Sprungschicht der Luft über dem heißen Asphalt wie von einer Lupe überdimensional abgebildet.

Schon kurz nach 15 Uhr stauben wir über die sandige Hauptstraße in San Carlos, für die gut 400 km lange Strecke haben wir einschließlich der Pausen also nur etwas mehr als 6 Stunden benötigt.

San Carlos erinnert auf Anhieb an Puerto Villamil, den verschlafenen Hauptort der Galapagos-Insel Isabella. Ausschließlich sandige Naturstraßen, auf denen niemand unterwegs ist, lockere Bebauung mit flachen Häusern, deren Wellblechdächer schattenspendend weit überstehen, kein wirklich erkennbares Zentrum und nur wenige Ladengeschäfte. Im Hotel Alcatraz (ja, wie das Gefängnis) will man 400 Pesos für einen kleinen, niedrigen und etwas schmuddeligen Raum haben, wir mieten lieber im sauberen Hotel Brennan eine Suite für 500 Pesos und freuen uns über eine gut ausgestattete Küche, in der sogar eine Waschmaschine steht.

Der Ort lebt offenbar von der Fischverarbeitung, es existiert auch eine beachtlich große Fabrik zur Herstellung von Stangeneis. Zwischen Mitte Dezember und Mitte März lassen die von den Walen angezogenen Touristen etwas Geld hier und ab und zu soll auch mal ein zahlungskräftiger Hochseeangler vorbeischauen. Zum Sonnenuntergang spazieren wir noch auf eine Landzunge, vor der ein rostiges Wrack im flachen Wasser liegt. Reiher und Pelikane tummeln sich am Strand und von der Stromleitung herab beobachten uns einige Dutzend Fregattvögel.

21. Tag, Mo. 08.03.2004

Wie schon bei Guerrero Negro, transportiert auch hier der starke und ständige Nordwind Unmengen an Sand, läßt dadurch Landzungen wachsen und die Buchten flacher werden. Weit draußen in der großen Bucht Bahia Magdalena sitzen wir jetzt in einem kleinen Boot und suchen zunächst die angeblich noch zahlreichen Wale. Vor Guerrero Negro konnte man immer 7 oder 8 Blasfontänen gleichzeitig sehen, hier entdecken wir alle 3 Minuten gerade mal eine und die ist dann weit weg. Wir fürchten schon, hier keinem Wal mehr ins Auge blicken zu können. Aber wir haben Glück, außerordentlich viel sogar. Nach einigen Beinahe-Annäherungen gelingt es dem sehr vorsichtigen Bootsführer schließlich doch noch, seine Nußschale mit abgestelltem Motor neben eine Walmutter und ihr Kalb gleiten zu lassen, und die beiden freuen sich offensichtlich über den Besuch. Sie umkreisen das winzige Boot, tauchen knapp unter dem Kiel hindurch und das Jungtier hebt ab und zu neugierig den Kopf aus dem Wasser, während uns die Mama mit ihrer Blasfontäne Duschen spendiert. Nach einer Weile gesellen sich zwei weitere Wale hinzu und Birgit gelingt es, eines der Kälber am schwabbeligen Kinn zu kraulen. Irgendwann beschließen die Walmütter, das Spiel zu beenden, sie verschwinden in der weiten Bucht und wir tuckern nach insgesamt drei Stunden zufrieden zum kleinen Hafen neben der Schule zurück.

In Ciudad Constitucion brauchen wir Pesos und Benzin, beides erhalten wir erst im zweiten Anlauf. Nicht jede Tankstelle hat auch wirklich Kraftstoff im Tank und nicht jeder Geldautomat tut, was er soll.

Die Fahrt durch die Sierra de la Giganta zurück zum Golf ist bei Rückenlicht sehr angenehm und jetzt schauen wir mal hinunter zur Punta Coyote (eine der zahlreichen, es müssen einst viele Coyoten hier gelebt haben), um den kleinen Hafen Puerto Escondido zu betrachten. Zu unserer Überraschung rollen wir schon kurz nach dem Abzweig über breite Boulevards mit Mittelstreifen und schmiedeeisernen Straßenlaternen von beinahe Wilhelminischer Bauart, rechts und links sind Areale zur Bebauung vorbereitet, allein, es fehlen die Häuser und mit ihnen die Menschen. Ein rostiger Pemex-Tank vergammelt neben einem einsamen, verlassenen Rohbau, das ist alles. Unten am Wasser stehen drei Wohnmobile in ordentlichem Abstand zueinander und vor der Küste liegen Jachten und Kreuzfahrtschiffe im Schutz der großen Insel Isla del Carmen. Ob das hier wirklich mal ein Urlaubsgebiet wird?

22. Tag, Di. 09.03.2004

Wir wohnen in Loreto direkt an der Uferpromenade im kleinen Hotel Quinta San Fransisco, aber erstmals seit vielen Tagen ist kein heißes Wasser für den Morgenkaffee aufzutreiben. So fahren wir reichlich verschlafen durch den Ort, suchen und finden ein Café und nehmen drei große Becher Kaffee zum Frühstücken mit ins Hotel.

Supermärkte existieren hier nicht, in kleinen Läden kaufen wir Getränke und Obst, füllen bei Pemex den Tank und brausen nach Norden, nach Mulege. Jetzt, auf dem Rückweg, müssen wir an jeder Straßenkontrollstelle auch wirklich anhalten, die Pässe zeigen und die  Koffer öffnen. Die Soldaten sagen, sie suchten Waffen und Drogen.

Ein Wort zum Wetter: Seit Cabo San Lucas brennt die Sonne vom fast wolkenlosen Himmel und wenn man an der windgeschützten Ostküste der Baja aus dem tiefgekühlten Innenraum des Autos steigt, wird man von der Hitze fast erschlagen. Wie mag das hier in den Sommermonaten sein?

10 Meilen vor Santa Rosalia zweigen wir zum Minihafen San Bruno ab. In dem von einer flachen Mole gesicherten Becken liegen 20 Fischerboote, sämtlich mit Außenbordmotoren, 25 Hütten stehen verstreut herum, ein Restaurant lädt zu kühlem "Corona Extra" Bier ein, ein Mann döst an den Stamm einer Palme gelehnt, eine Frau fegt kratzend den Sand von ihrer Terrasse, ein Pickup staubt über die Sandstraße, das ist das ganze Leben in dem Örtchen - aber jetzt ist ja auch Siesta.

Selbst die Pelikane hocken nur herum und lassen die Fische in Ruhe. Wir schließen uns dem allgemeinen Faulenzen an und verspeisen im Schatten der Palmen zwei Brötchen mit chili-scharfer Käsefüllung. Gegenüber, auf der Isla San Marcos, wird doch gearbeitet. Dort befindet sich ein Bergwerk und gerade jetzt hört man den Lärm und sieht die Staubwolke einer Sprengung.

Santa Rosalia, die alte französische Minenstadt, die Stadt der Müllhalden, verabschiedet sich mit einem scheunentorgroßen Schild inmitten eines Fußballfeldes voller Abfall: No tire basura! Keinen Abfall wegwerfen! Wie das wohl gemeint ist?

Zwischen Santa Rosalia und San Ignacio stehen nördlich der Straße in etwa 8 bis 20 Kilometer Entfernung die drei Vulkane Las Tres Virgenes Volcanoes und eines ihrer Lavafelder erreicht wie ein Finger die MEX 1. Zwischen dem scharfkantigen Lavageröll ist mit bloßem Auge nur eine einzige Pflanzenart zu entdecken: Dickstämmige, gedrungene Bäume, die den afrikanischen Baobabs ähneln und wie diese im Stamm schwammige Wasserspeicher besitzen.

Auf der Hochebene vor San Ignacio treibt der starke Ostwind entwurzelte Büsche durch die Landschaft, wirft sie auch mal hoch oder läßt sie in einem Wirbel kreisen und hüpfen. Aus einiger Entfernung betrachtet, könnte man meinen, Kinder würden mit leichten Weidekörben Ball spielen.

10 Meilen vor San Ignacio wird das Hochtal erstaunlich grün, verschiedene Kakteenarten beleben das unbesiedelte Gelände.

San Ignacio ist noch einmal einen Abstecher wert und der Toyota erhält ein paar Liter Sprit. Das Benzin ist teurer geworden, der Liter Magna mit 87 Oktan kostet jetzt 5,82 Pesos.

In der Desierto de Vizcaino, die bis Guerrero Negro reicht, ist der Boden dicht bedeckt mit flach gefächerten, rotblühenden Pflanzen. Auf kleinen Sandhügeln sitzen niedrige, graue Büsche, wobei es sehr wohl möglich ist, daß sich nicht die Büsche auf den Sicheldünen angesiedelt haben, sondern der Sand sich vor den Büschen aufstaut und sie in Bodennähe erstickt. Zwischen diesen Dünenbüschen entdecken wir einen Coyoten, der sich zwar ebensowenig wie sein Vetter im Joshua Tree National Park überreden läßt, in Fotografiernähe zu bleiben, aber im Fernglas dürfen wir ihn ausgiebig betrachten. Ganz langsam streunt er jetzt in etwa 150 m Entfernung nach Nordwesten, wohl auf der Suche nach einem Abendessen. Ein schönes Tier.

Heute ist noch eine Cabana am Restaurant Malarrimo frei und so haben wir nur einen kurzen Fußweg zum schönen Restaurant. Was wählen wir? Die Jacobsmuscheln natürlich, zart im Dampf gegart.

23. Tag, Mi. 10.03.2004

Der übliche Wind hat sich gelegt, am Himmel hängt eine Wolkendecke, überall werden die Gehsteige und Fahrbahnen gefegt. Da steht dann mal eben ein leeres Benzinfaß auf der Straße und dahinter häuft ein Trupp Arbeiter den Sand auf, nicht nur Besen, auch Schaufeln sind im Einsatz. Hinter einer unscheinbaren Fassade verbirgt sich der größte Supermarkt der Stadt, gut sortiert wie alle Märkte bisher. Vollgetankt starten wir gen Norden, am Militärposten mit der großen Landesflagge und dem Mexikanischen Adler wird tatsächlich die Touristenkarte kontrolliert, im Kofferraum nach Drogen geschnüffelt und die wohl wichtige Tatsache, daß wir beide heute hier vorbeigefahren sind, in eine große Kladde eingetragen. Die Uhr zeigt jetzt wieder Pacific Time.

In Villa Jesus Maria ist die nagelneue Pemex-Tankstelle noch nicht betriebsbereit, die Zapfsäulen noch in Plastikfolie verpackt und der Kraftstoff wird direkt vom privaten Pickup aus Kanistern verkauft.

50 Meilen nördlich von Guerrero Negro ist die Wolkendecke plötzlich wie abgeschnitten, strahlend blauer Himmel über Hügeln, auf denen Cyrius-Stengel und Juccapalmen stehen. Bei Meile 70, noch vor der Kreuzung Bahia de los Angeles, spazieren wir durch ein ausgedehntes Feld mit fetten, bis zu 10m hohen Kandelaberkakteen. Bis zur Kreuzung gesellen sich noch andere Arten hinzu, später dominieren die Cyrius und so heißt dann auch das ganze sandige Tal: Valle de los Cyrius.

Auf zunächst superguter Straße rollen wir die 41 Meilen hinunter zur Engelsbucht, der Bahia de los Angeles. Sämtliche Kaktusarten Kaliforniens scheinen hier zu gedeihen, in den Spitzen der Cyrius und der Ocotillos sitzen zahlreiche "Viren"-Nester (die ballrunden, stacheligen), die jedoch nicht bewohnt sind, jedenfalls läßt sich kein Vogel blicken. Über dem steinharten Boden des trockenen Salzsees Aqua Amarga (Bitteres Wasser) tanzen Windteufel und ziehen den Staub in die Höhe. 25 Meilen nach dem Abzweig weicht die gute Straße urplötzlich einer Rüttelpiste, auf der die früher einmal vorhandene Teerdecke nur noch Inselberge hinterlassen hat. Die Fahrgeschwindigkeit beträgt nicht mehr als 20 km/h, wie im Cocktailbecher werden wir im Auto durchgeschüttelt. Bei Meile 30 stehen außergewöhnlich hohe Kandelaberkakteen, einige Exemplare sollen gar 20 Meter Höhe und ein Alter von 200 Jahren erreichen. Der erste Blick auf den Golf, das Meer von Cortez, ist bei Meile 35 durch die Hügelketten hindurch möglich, gleich danach weist eine großflächige Warntafel auf eine Veränderung des Straßenzustandes hin: Tatsächlich, für 200 Meter schwebt der Toyota über eine butterweiche, nagelneue Teerdecke - aber muß man davor warnen? Eine Meile später eröffnet sich ein eindrucksvoller Blick über die Bucht mit vielen Inselchen, Birgit fühlt sich an schwedische Schären erinnert. Tiefdunkelblaues Wasser, rostrote, kahle Berge, ganz wenige Häusergruppen. Der kleine Ort mit den üblichen Sandstraßen wird nicht nur von der 20 Kilometer vor der Küste liegenden, langgestreckten Insel Angel de la Guarda (Schutzengel) geschützt, sondern zusätzlich noch von einer flachen, sandigen Landzunge, an deren Spitze ein Leuchtturm zur Wanderung dorthin herausfordert. Anschließend erkunden wir noch mit dem Auto den Küstenstreifen ein paar sandige Meilen nach Norden.

Durch wellige Hochtäler der Sierra la Asamblea verläuft die MEX 1 am Salzsee Laguna Chapala, dem Geröllhaufen El Pedregoso und vereinzelten Boulder-Steinfeldern vorbei nach Catavina. Ein Lastwagen steht am Straßenrand, von einigen Männern umlagert, wir vermuten eine Panne oder einen Unfall. Der zweite Blick zeigt anderes: Wird der Wagen gerade ausgeschlachtet? Alle Räder, der Kühler und die komplette Vorderachse sind bereits abgebaut, das scheint das am häufigsten Benötigte und somit Wertvollste zu sein. In Catavina wohnen wir im schönen Pinta Hotel und füllen nebenan bei Pemex den Tank. Noch nach dem Sonnenuntergang streifen wir durch die beeindruckenden Kakteengärten in den hier ausgedehnten Boulderfeldern, auf der Suche nach einem Plätzchen, an dem sich morgen früh der Sonnenaufgang besonders malerisch fotografieren läßt. 

24. Tag, Do. 11.03.2004

Die gepflegte Hotelanlage und das saubere, große Zimmer entsprechen den Erwartungen, die Pinta Kette hat einen guten Ruf. Eine Zimmernachbarin beschwert sich jedoch über fehlendes warmes Wasser, die Klimaanlage verbreitet unabschaltbaren Lärm und irgendwelche Bauarbeiter mußten bis spät in die Nacht und schon am frühen Morgen geräuschvoll basteln. Und dann ist auch noch der Kaffee viel zu dünn, da kann man ja hindurchsehen.

Kurz bevor der gestern ausgesuchte Platz für das Foto mit aufgehender Sonne erreicht ist, rollt der Toyota in eine dichte Nebelbank hinein, unsere Mienen werden länger. Das ändert sich sofort, als wir aussteigen und die zauberhafte Stimmung bemerken. Kein Laut dringt an unsere Ohren, die Landschaft scheint schwarz-weiß gemalt und die Kakteen verschwinden zusammen mit den Blockfelsen schon in geringer Entfernung als geisterhafte Schemen.

Zwei Stunden später hat die brennende Sonne den Nebel vertrieben und wir wandern durch ein schmales Tal. Ruinen eines angeblich uralten Missionsgebäudes blicken vom Hang hinunter auf eine Tümpelkette, die der letzte Regen hinterlassen hat. Wie bei jedem Spaziergang in der Kaktuswüste der Baja, begegnen wir nicht einem einzigen Menschen.

Gut, daß wir gestern noch Benzin gekauft haben, bei Pemex neben dem Hotel verkünden jetzt zwei Schilder, daß die Tanks leer sind. Bei San Augustin, 22 Meilen nördlich, suchen wir die Reste einer Missionskirche, finden jedoch lediglich Ruinen einer Tankstelle und probieren es weitere 15 Meilen später bei San Fernando Velicata noch einmal. Eine kräftige Eisenkette versperrt die Einfahrt in die Piste zu den Ruinen, die Kette läßt sich jedoch öffnen und 2 Meilen später lassen wir den Wagen vor einem nicht umfahrbaren Schlammloch stehen und laufen ein paar hundert Meter, um die Grundmauern und eine Giebelwand einer kleinen Kirche von 1769 in heute menschenleerer Umgebung zu betrachten. Acht Gräber künden von etwas lebhafteren Zeiten.

Während der Rückfahrt zur Fernstraße schabt der tiefhängende Auspuff mehrmals an Pflanzenhügeln auf der Piste, hoffentlich verringert sich die Bodenfreiheit nicht noch mehr. Schäden an der Bodengruppe reguliert die Versicherung nicht, denn dem Autovermieter wurde versprochen (und schriftlich bestätigt), die Teerstraßen nicht zu verlassen...

Zurück auf der MEX 1, ist beim Beschleunigen zu hören, daß der Bodenkontakt nicht folgenlos geblieben ist: Der brave Toyota röhrt jetzt wie ein Beach Buggy ohne Auspuff.

Kurz vor El Rosario entdeckt Birgit etwas abseits einen bisher nie gesehenen mannshohen, weißen Blütenstand, unmittelbar daneben einen gleichartigen, jedoch bereits verholzten schwarzen. Rings um die agavenähnlichen Pflanzen dehnt sich ein Feld minikleiner Kakteen aus, ein Bonsai-Kaktusgarten. Auch die Kleinen können pieken, besonders dann, wenn man für ein Foto in die Hocke geht. Die Straßenführung auf einem Kamm ermöglicht eine wunderschöne Fernsicht nach beiden Seiten.

El Rosario beginnt als langgestreckte Straßensiedlung unmittelbar nach der Durchquerung eines kilometerbreiten Vados, im Zentrum dann der 90°-Knick nach Norden und unmittelbar dahinter befindet sich Mama Espinozas Restaurant und Motel.

Vor dem Abendessen spazieren wir noch zur drei Kilometer entfernten Missionsstation Nuestra Senora del Rosario, die in einem Ortsteil in Küstennähe liegt. Der Weg führt schräg durch das breite, sandige Flußbett an Schilf mit quakenden Fröschen und vielen Gärten vorbei. In gelbblühenden Büschen toben Kolibris herum, Kinder lachen uns an und die Männer schütteln die Köpfe, weil auch hier jeder Autobesitzer selbst kürzeste Wege in seinem Blechkasten zurücklegt und deshalb zu Fuß gehende Gringos wohl lächerlich aussehen. Jedoch allein wegen der Kolibris hat sich der Weg gelohnt und auf dem Rückweg begrüßen uns im Schilf sitzende, starengroße, schwarz-rot-goldene Vögel mit metallisch klingendem Gesang. Solange man sie nicht sieht, glaubt man, elektronische Instrumente zu hören. Vielleicht können wir später ihren Namen ermitteln, jetzt taufen wir sie Bundesvögel in Anlehnung an die schwarz-weiß-roten Reichsvögel in Namibia. Leider werden wir von Polizisten gestört, die ihren Pickup mit kräftiger Staubfahne neben uns anhalten und wissen wollen, ob wir uns etwa verlaufen hätten.

Für die berühmten Burritos von Mama Espinoza, die ansonsten landesweit mit Fleisch gefüllt werden, sind heute die ersehnten Hummer vorhanden - wir lassen es uns schmecken.

25. Tag, Fr. 12.03.2004

Der Pazifik schickt wieder eine bleigraue Wolkendecke über das Land, von der Sonne ist nichts zu sehen. Beim Fischerdorf El Socorrito, 16 Meilen nördlich von El Rosario, suchen wir einen befahrbaren (der Auspuff!) Zugang zum Strand und stehen bald auf feinem Kies direkt am Wasser. Birgit ist begeistert, große Muscheln rechts und links, soweit das Auge reicht, Krebse, Seespinnen, Langusten- und Hummerschalen, selbst ein verendeter Zitterrochen ist zu finden und in der Brandung suchen vier Pazifische Weißseitendelphine (sie ähneln Orcas) nach Beute.

Die Besiedlungsdichte nimmt zu, die Ortschaft Lazaro Cardenas an der Bahia San Quintin erstreckt sich über viele Quadratkilometer. Obstanbau, Gemüsegärten, die Gegend könnte auch in Europa liegen, selbst der bedeckte Himmel paßt ins Bild. Hier rechts ist jetzt ein offenbar angelegtes Feld voller Ohrenkakteen, die Früchte werden wohl geerntet. Die Fernstraße hat im Siedlungsgebiet drei Spuren für jede Richtung, eine für die Parkplatzsuchenden, die zweite für die Schleicher und auf der dritten wird gekachelt. Auf der Fahrbahn liegen in kurzen Abständen fünf Hundeleichen, wo bleiben die Geier? Garküchenzelte am staubigen Straßenrand, gegenüber kann man Stoßstangen und doppelte Auspuffrohre kaufen, ein Friedhof für Überlandbusse vervollständigt das etwas triste Bild. Um 12:30 Uhr scheint Schulschluß zu sein, Schülerlotsen und manchmal auch Polizisten stoppen den Verkehr.

Vor Maneadero eine besonders ausführliche Militärkontrolle, als wir jedoch sagen, aus Deutschland zu kommen, ist der Zwangsaufenthalt beendet, man wünscht uns schöne Tage in Mexiko. Das Verkehrsaufkommen kurz vor Ensenada ist so hoch, daß selbst die jetzt vierspurige Straße zu schmal ist. Am Abend sieht  das Zentrum Ensenadas schöner aus, als bei prallem Sonnenschein. Der Ort scheint ein Wochenendausflugsziel der US-Amerikaner zu sein, viele, viele Hotels und in der Avenida Lopez Mateos ein Souvenirladen neben dem anderen. Schmuck, Leder, Kunsthandwerk zu niedrigen Preisen, selbst die in den USA offenbar nicht so leicht zu erhaltene Potenzpille Viagra füllt einen ganzen Laden.

26.Tag, Sa. 13.03.2004

Gemütlich bummeln wir über die Avenida Lopez Mateos und durch ihre Seitenstraßen, probieren im sehenswerten Fischmarkt frisch geräucherten Merlin und schauen nebenan am Hafenrand dem lautstarken Treiben der Seelöwen, Pelikane, Kormorane und Möwen zu, die von Touristenkindern eimerweise ( 1US$ je Eimer) mit fangfrischen Fischen gefüttert werden.

Dann rollen wir über die MEX 3 nach Tecate, der Stadt, aus der das auf der Halbinsel meistgetrunkene Bier kommt. Auf den ersten Kilometern rechts und links verbranntes Hügelland. Brandrodung oder Unglück? Später freut sich das Auge über satte grüne Wiesen, Weinstöcke und erheblich weniger Fahrzeuge, als auf der Küstenstraße MEX 1. Der Ort Valle de Guadalupe entzückt mit lange vermißtem Wasser im Flußbett des breiten Tales und Orangen-, Oliven- sowie Eukalyptusbäumen am Rand der Straßen. Bei Meile 15 auf der MEX 3 wieder eine Militärkontrolle. Es geht wie immer ganz schnell: Kofferraumdeckel öffnen, auf die weichen Koffer drücken, in die Plastiktüten mit Lebensmitteln schauen, wir haben keine Waffen und sind harmlos, Deckel zu und weiter. Außerdem sind Alemanos aus Alemania keine ungeliebten Gringos! Über einen Paß mit immerhin 660m Höhe kurvt die Straße in das Valle de los Palmas, leider ohne Fernsicht, die Luftfeuchtigkeit ist sehr hoch. Unmittelbar hinter dem Palmental ist die Landschaft trockener: Kahle Berge, rostroter Boden, keine höhere Vegetation, Kugelfelsen, unbesiedelt. Die Boulderfelsen begleiten die Straße bis nach Tecate, Gehöfte tauchen auf, Tafeln teilen mit, daß die eine oder andere Ranch zu verkaufen ist, die Verkehrsdichte nimmt zu. Tecate liegt in einem Kessel und versteckt sein Zentrum. So sehr wir auch umherfahren, ein Ortskern ist nicht zu finden, die Stadt scheint um die Tecate-Brauerei herum als Arbeiterschlafsiedlung gewachsen zu sein. Ganz im Norden der Stadt ist der häßliche Grenzzaun der USA eine an die Berliner Mauer erinnernde Attraktion. Eigentlich wollten wir ja hier übernachten, aber schnell ist klar, daß wir heute noch in die USA zurückkehren. Das einzige auffindbare Hotel mit dem vielsagenden Namen Paradiso bietet für 72 US$ Zimmer, die bereits bewohnt sind: Von Kakerlaken.

Die Warteschlange vor dem Grenzübergang zwingt zu einer Pause von 30 Minuten, in der die letzten Lebensmittel verspeist werden - die Amis verbieten die Einfuhr. Aber wir werden überhaupt nicht kontrolliert, Touristen gegenüber sind die US Beamten ausgesprochen freundlich. Lange noch bedauern wir, eben wegen der Importvorschriften auf den Kauf des geräucherten Merlin in Ensenada verzichtet zu haben. 1kg Wohlgeschmack hätte 50 Pesos, rund 4 Euro gekostet! Adios, Mexiko!

Natürlich sieht die Landschaft nördlich des Grenzzaunes genauso aus, wie wenige Kilometer weiter südlich, aber sie ist sauberer, hier liegt kein Müll herum. Die Wiesen erscheinen dadurch grüner, in den Siedlungen sind keine baufälligen Hütten und keine Schrottautos mehr zu sehen. Die breite, ordentlich geteerte und gut ausgeschilderte Straße vervollständigt das Bild von bürgerlichem Wohlstand.

Im Minikaff Boulevard verkauft der Universalladen Lebensmittel, Petroleum und Gartengeräte, wir legen wieder einen Vorrat an Softdrinks, Marmeladen, Toastbroten, Keksen und Kaffeepulver an. Auf die Frage nach einem Hotel erhalten wir die Zufahrtsbeschreibung zu einem von "Germans" betriebenen Motel neben dem Freeway 8, zu dem wir ohnehin wollen.

San Diego County - Los Angeles

27. Tag, So. 14.03.2004

Das Lux-Inn gehört einer aus Hanau stammenden Frau, der Smalltalk beim Einchecken dauerte gestern länger als sonst, Old Germany war das Thema. Im geräumigen und angenehm sauberen Zimmer sichert ein Mikrowellenherd den heißen Morgenkaffee. Beinahe vermissen wir den in mexikanischen Hotels üblichen, beißenden Geruch eines Desinfektionsmittels.

Der Freeway Interstate 8 hat etwa die Maße europäischer Autobahnen, kommt uns nach den schmalen Fernstraßen südlich der Grenze jedoch ungeheuer breit vor. In der mittelgebirgsähnlichen Landschaft ragen vereinzelt höhere Hügel in den wolkenlosen Himmel, dazwischen Kugelfelsen, Kugelfelsen, Kugelfelsen. Kniehohe, stachelige Büsche bedecken den Boden, Kakteen sind nicht mehr zu sehen, Siedlungen auch nicht.

Über den Paß Tecate Divide mit 4140 ft. schwebt der Toyota mit den erlaubten 65 mph hinunter in die südliche Mojave Wüste, die schon 25 Meilen weiter westlich unter dem Meeresspiegel liegt. Nur wenige 100 Meter südlich verläuft der Grenzzaun, ist jedoch vom Fahrzeug aus nicht zu erkennen. Vielleicht müßten wir auf den Desert View Tower klettern, der hier an einem Rastplatz steht. Durch ein wildes Gewirr von Felsbrocken hindurch verläuft der Freeway auf zwei weit voneinander entfernten Richtungsfahrbahnen zur Ausfahrt Ocotillo auf nur noch 300 ft. Höhe. Der Highway S2 führt dann durch ein schönes, breites Ocotillo-Tal nach Nordwesten in den Anza-Borrego Desert State Park hinein. Wir freuen uns, wieder in der Wüste zu sein: Sandiger Boden, zwischen den Ocotillos einige Joshua Trees, trockene, warme Luft und keine weiteren Menschen zu sehen. Denken wir. 

Gut versteckt wartet in einer Senke ein Posten der Grenzpolizei, die illegale Einwanderer abfangen soll. Wir haben einen legalen Stempel im Paß, die Männer sind freundlich und wünschen eine schöne Reise.

Durch einen Canyon sin nombre geht es hinauf zum Sweeny Pass und am Ort  Agua Caliente Springs vorbei zu der Hügelkette Vallecito Mountains.

Kurz vor der Kreuzung mit der Straße 78 beginnt das Siedlungsgebiet Shelter Valley, das nicht mehr zum State Park gehört und eher langweilig ist.

Auf der 78 begleitet uns viel Verkehr nach Osten. Nach dem Abzweig der Straße S3 zum Ort Borrego Springs bereichert ein Tamariskenwald die sonst recht kahle Landschaft. Golfplätze tauchen plötzlich auf und ein Campground, Borrego Springs ist ein Ausflugszentrum, Basislager für Action in der Wüste. Jeder der Riesencamper zieht noch einen Anhänger mit Jeep oder mindestens zwei Motorrädern.

Am Ort Ranchita etwas weiter westlich markiert ein Korkeichenwald die natürliche Grenze des  Wüstenparks und zwei Meilen später stehen wir plötzlich auf verbranntem Boden. Schwarze Baumskelette und verkohlte Telegraphenmasten erinnern an ein größeres Feuer, aber bald ist alles wieder grün: satte Wiesen und bewaldete Hügel, es ist deutlich kühler.

Gerade betrachte ich mir drei leuchtend weiße Kuppeln eines Observatoriums, als Birgit auf einer Waldwiese einen Hirsch entdeckt. Schnell gewendet und dann können wir das schöne Tier noch minutenlang betrachten.

Das Museumsdorf Julian ist der letzte Zeuge eines kurzen, aber wohl heftigen Goldrausches in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts. Die Gebäude sind gut restauriert, Läden bieten Alltagskram aus der Goldgräberzeit an, Schulmädchengruppen sammeln singend für irgend etwas Geld ein, mehrere Rudel Harley-Davidson-Biker parken glitzernde Maschinen und die Bäume blühen und verbreiten angenehme Düfte. Zwischen 1869 und 1906 zog das Gold die Menschen an, nachdem die Minen erschöpft waren, sorgten Apfelplantagen für wirtschaftliches Wohlergehen, heute lebt man vom Tourismus, Cidre wird auch noch produziert. Ein Cafe in schiefem Fachwerkgemäuer verführt zu homemade Kuchen, wir genießen die schöne Atmosphäre. Am Cuyamaca See, 5 Meilen südlich von Julian, verbummeln wir noch eine ruhige Stunde und brausen dann 40 Meilen über den Interstate 8 nach Downtown San Diego.

Dank der wie immer guten Beschreibung im Motel-6-Booklet ist das Hotel sofort gefunden, ein geräumiges, L-förmiges Zimmer kostet 62 US$. Leider ist kein Supermarkt in der Nähe, aber in einem Liquorstore an der nächsten Ecke lassen sich auch ein paar Lebensmittel einkaufen.

Noch vor Sonnenuntergang rollen wir über die riesige Brücke zur Insel Coronado, spazieren am Strand um das Hotel Coronado (Drehort für "Manche mögen's heiß" mit Marilyn Monroe, Jack Lemmon und Tony Curtis) und bewundern die Skyline von San Diego. Am Abend laufen wir ins Zentrum von San Diego hinein und wundern uns über menschenleere Straßen. Fußgänger sind nicht zu entdecken, selbst die Obdachlosen und illegalen Einwanderer liegen auf ihren Isoliermatten oder sitzen am Feuer auf einem ungenutzten Parkplatz. Auch auf der zentralen Horten-Plaza und in den umliegenden Einkaufspassagen begegnen uns nur wenige Figuren, wohl alles Touristen auf der Suche nach dem städtischen Leben. Auf dem Rückweg öffnet sich just neben uns das Tor eines Konzertsaales, die Menge strebt geschlossen zum angrenzenden Parkplatz. Weiter läuft man nicht.

28. Tag, Mo. 15.03.2004

Als allererstes wird im lokalen Büro der Air France angerufen, um den Rückflug bestätigen zu lassen, gaaanz einfach mit der kostenlosen 0800-Nummer. Dann leitet der gestern im Best Western Hotel erhaltene Stadtplan zu verschiedenen Autovermietern. Wir brauchen ja noch ein Auto oneway nach L.A.

Dollar will 75 $ Einwegmiete haben, National macht's für 68 $, die Leute sind sehr nett und die Fahrzeuge nagelneu, also mieten wir bei National. Morgen müssen wir um 15:30 Uhr am Flughafen in Los Angeles einchecken, deshalb können wir den 24-Std.-Vertrag für das neue Auto auch erst heute um 15:30 Uhr abschließen und bis dahin besuchen wir die Strände nördlich von San Diego zwischen Mission Beach und La Jolla. Zwar scheint die Sonne, aber der starke Wind ist eiskalt, im Wasser tummeln sich nur Surfer mit Neoprenanzügen. Am Strand liegen Fruchtkapseln vom Kelp mit meterlangen "Nabelschnüren".

Unser neues Auto ist ein weißer Oldsmobil, ein geräumiger Mittelklassewagen mit starkem Motor. Das kostenlose Upgrade war recht einfach: Die Frau, die am Vormittag so gut beraten hatte, sollte auch die Vertragsprovision erhalten, also ließ ich sie rufen. Für diese Geste bedankte sie sich mit dem Hinweis, daß der angemietete Wagen nicht übernommen werden müßte, falls wir ihn nicht mögen. Ersatz gäbe es dann aus einer höheren Klasse, denn weitere Fahrzeuge dieser Kategorie wären nicht vorhanden. Einmal um den kleinen Dodge herumgelaufen, im Büro den Zaubersatz gesprochen: "I don't like this car" und schon hatten wir Schlüssel und Papiere des viel bequemeren Oldsmobil.

Jetzt aber müssen wir noch den verstaubten Toyota abgeben, obwohl der Wagen noch bis einschließlich Mittwoch bezahlt ist. Eine Rückgabe in Los Angeles ist nicht vorgesehen, die kleine Firma braucht ihre Fahrzeuge hier vor der Tür. Birgit fährt den Toyota zum Vermieter Airport Car Rental, ich rolle mit dem Oldsmobil hinterher. Die Abrechnung braucht leider eine kleine Korrektur: Für den zweiten Fahrer war ein einmaliger Zuschlag von 5 $ abgesprochen, jetzt sind es plötzlich 5 $ pro Tag. Wir zeigen die Vertragskopie mit der Vereinbarung und das Problem ist überwunden. Der fast auf der Straße schleifende Auspuff stört niemanden, alle scheinen froh, den Wagen ohne Unfallschäden wieder zurückzuhaben. Denn genau dies, die ausgebliebenen Schäden, die nun nicht notwendige Inanspruchnahme irgendwelcher Versicherungsleistungen, erhöht den Profit um genau 525 Dollar. Die Versicherungspolice war nämlich noch nicht datiert, wir wußten, daß erst nach einem Unfall die Vertragsdaten eingetragen worden wären - nun kann die Police verschwinden, ganz offiziell war der Toyota einfach nicht versichert und die gezahlte Prämie von 25 $ je Tag wandert netto in den Topf der Einnahmen. Wußten wir vorher, war uns egal.

Über den pazifiknahen Freeway 5 und den nach knapp 60 Meilen am Dana Point beginnenden Küstenhighway 1 fahren wir gemütlich nach Los Angeles zurück, schlagen uns in einem McDonald's Drive In noch den Bauch voll und übernachten wie am ersten Tag am Hollywood Boulevard im Motel 6.

29. Tag, Di. 16.03.2004

Begleitet von blauem Himmel und wärmender Sonne bummeln wir mit dem Oldsmobil durch die Wohnparks in Hollywood, besuchen weit im Norden einen der ausgedehnten Parkfriedhöfe, bestaunen bei Glendale das weltgrößte Gemälde vom Abendmahl und lassen uns im benachbarten Kinosaal die Entstehungsgeschichte multimedial erläutern, fotografieren in Downtown L.A. kleine Häuser zwischen Wolkenkratzern und denken, daß die vom frühen Morgen an gleichbleibend geringe Verkehrsdichte sich keinesfalls verändert. Noch ein letztes Foto vom "Hollywood"-Schriftzug und so gegen 14:30 Uhr bewegen wir uns gemächlich zum knapp 50 Kilometer entfernten Flughafen. Und genau jetzt beginnt der berüchtigte Berufsverkehr und wir stehen erst einmal im Stau. Minutenlang.

Geben wir das Auto erst nach Ablauf der 24 Stunden zurück, so ist ein weiterer voller Tag zu bezahlen, sind wir nicht pünktlich am Air France Check-In, so verfallen die Rückflugtickets, eine Umbuchung ist nicht möglich. Noch 50 Minuten und immer noch 45 Kilometer, so langsam wird´s eng. Also legt sich Birgit den Stadtplan auf die Knie und ich gebe Gas. Runter vom Freeway, raus aus dem Stau, mit leicht erhöhter (naja) Geschwindigkeit über die Kreuzungen der Stadtstraßen, ein paar Einfahrten weiter wieder rauf auf die Autobahn, im Zickzack über die sechs Fahrstreifen, wieder raus, ein Autobahnkreuz mit stehendem Verkehr umfahren, und an den 4-Stop-Kreuzungen beachten wir nicht immer die Regel. (4-Stop heißt: Jeder muß anhalten und in der Reihenfolge der Ankunft wird weitergefahren.) Wir kommen uns vor, wie Bonnie und Clyde auf der Flucht; in Rom wäre der Fahrstil völlig normal, hier darf uns jetzt jedoch kein Sheriff begegnen: Speeding ist nicht nur richtig teuer, wegen der Wartezeit wäre wohl auch der Rückflug gestorben. Und tanken müssen wir ja auch noch. Im 2-Minutentakt nennt Birgit die Uhrzeit und ich suche Lücken in den Blechkolonnen. Der Stadtplan verrät natürlich nicht, wo genau sich die Rücknahmestation von National befindet, wir entscheiden uns für eine der vier Autobahnausfahrten zum Flughafen und treffen prompt die richtige. Bis 15:43 muß der Wagen bei National sein, um exakt 15:38 übergeben wir den Schlüssel, die Uhrzeit wird auf die Abrechnung gedruckt. Und am Air France Schalter stehen wir dann auch rechtzeitig. Alles gutgegangen, war ja ganz lustig, endlich mal wieder Adrenalin im Blut, und die gemütlich ruhigen Besichtigungsfahrten bis 14:30 Uhr bereuen wir überhaupt nicht.

So ganz kehrt die Ruhe noch nicht ein, denn ausgerechnet unser Koffer wird nach dem Einchecken noch einer Sicherheitskontrolle unterzogen. Kein Problem, denken wir, denn da ist ja nichts Böses drin. Aber der Kontrolleur verschließt ihn nicht richtig, will auch nicht glauben, daß er irgend etwas falsch macht und wir dürfen das Gepäck nicht mehr berühren, ja nicht einmal mehr die markierte Sicherheitszone rund um den Koffer betreten. Ein wenig neurotisch sind die Amis schon geworden. Zum Glück hält sich der später in Paris sichtbare Schaden in Grenzen: Der Sicherheitsriemen ist verschwunden, die Fastex-Schnalle zerbrochen. Das war vorhersehbar, ist nicht schlimm, wir wollten ohnehin einen neuen Riemen kaufen.

Auf dem Rückflug laufen noch einmal die Erlebnisse der letzten vier Wochen vor unseren Augen ab, das ist viel interessanter als die Hollywood Blockbuster im Bordkino. Es war eine schöne Reise.